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Brücke nach Südostasien
Die chinesische Provinz Yunnan bietet sehr artenreiche Flora und Fauna
Ewiges Eis und schwüle Tropen - die chinesische Provinz Yunnan reicht von Tibet bis Südostasien und hat daher den größten Artenreichtum der chinesischen Flora und Fauna aufzuweisen.
Von undurchdringlichem Regenwald bis hin zu schneebedeckten Bergen bietet das Landschaftspanorama alles, was das Herz begehrt. Yunnan, historisch wegen seiner Grenzlage mehrfach unabhängig, wurde erst 1253 durch die Mongolen endgültig annektiert und dem chinesischen Herrschaftsbereich zugeschlagen. Die Islamisierung und der Versuch der Franzosen, Yunnan ihrem Kolonialreich einzuverleiben, scheiterten - und heute ist die Region durch den Mekong wichtiges Bindeglied der Volksrepublik an den südostasiatischen Wirtschaftsraum. Im Vielvölkerstaat Yunnan leben zahlreiche Völker, deren Angehörige man auch in Myanmar, Laos und Thailand findet.
Kunming, 1890 Meter hoch gelegen, gilt wegen seines milden Klimas als Stadt des ewigen Frühlings. Breite Boulevards, mondäne Kaufhäuser - aber auch ein Rest historischer Altstadt laden zum Bummeln ein. Dort werden in den Garküchen vorzügliche Suppen zubereitet, auch der süß gegrillte Klebreis ist ein leckerer Snack. In den Apotheken werden aus Ölen, Essenzen, Pilzen, Wurzeln und Blättern traditionelle Arzneimittel gemischt. In einem 600 Jahre alten Haus praktiziert eine Ärztin - ihr Enkel spricht Englisch und hilft beim Dolmetschen.
Keinesfalls verpassen sollten Gäste der Stadt einen Besuch im ersten privaten chinesischen Tanztheater. Die Primaballerina Yang Liping hat es gegründet und kombiniert dort in der furiosen Revue »Dynamic Yunnan« ethnische Trommeltänze, klassisches Ballett und die Kunst südostasiatischer Tempeltänze. Tänzerisch erzählen die 48-Jährige und ihr junges Corps de Ballet Geschichten aus dem Leben von Yunnan - wie junge Menschen umeinander werben, wie Tiere sich vergnügen und sogar wie die Reinkarnation eines Lamas gefunden wird. Diese Produktion hat wahrlich Weltniveau, und man kann sich nur wünschen, das Yang Liping einmal auf Tournee nach Europa kommt.
Kunming wächst - wie alle chinesischen Städte - unaufhörlich. Riesige Schneisen für neue Hochstraßen werden durch die Stadt geschlagen, eine führt zum Dian-See. Das azurblaue flache Gewässer, an dessen Westufer das Xishan-Gebirger aufragt, ist aber leider zum Baden nicht mehr zu empfehlen - zu stark ist die industrielle Verschmutzung. An den steilen Hängen lässt es sich bei grandiosen Ausblicken aber hervorragend wandern.
Wer es bequem mag, nimmt allerdings die österreichische Seilbahn. Vorbei am Grab des früh verstorbenen Komponisten der chinesischen Nationalhymne kommt man zum Drachentor. Dahinter wird der Gott Kuixi verehrt, dem vor allem die Absolventen der kaiserlichen Beamtenexamina dankten. Aber es sollen auch nervöse Prüfungskandidaten für ein erfolgreiches Abschneiden gebetet haben. Wie Adlernester kleben die Tempel am steilen Fels, immer wieder führt der Weg über steile Treppen und durch flache Tunnel.
Lohnenswert ist ein Ausflug in den Steinwald von Shilin, knapp 100 Kilometer von Kunming entfernt. Ursprünglich war diese Region Meeresgrund, durch tektonische Aktivitäten entstand vor 270 Millionen Jahren Festland mit tiefen Spalten, die vom Regenwasser ausgewaschen wurden. So entstand eine bizarre Berglandschaft, und die Chinesen gaben den Felsen so poetische Namen wie »Mutter und Sohn wandern zusammen« oder »Lotosblumengipfel«.
Doch der erste Eindruck hat zunächst wenig mit Poesie zu tun. Denn der Innere Steinwald wurde wie ein Freizeitpark gestaltet. Schriftzeichen an den Felsen, auf Schritt und Tritt Händler, gepflegter Rasen und gestaltete Teiche lassen jede Natürlichkkeit vermissen. Erst wenn man zum Äußeren Steinwald vordringt, verringert sich die Zahl der gepflasterten Wege - und der Horden chinesischer Touristen. Erst dort offenbart sich die Magie der Landschaft. Thomas Albertsen

Artikel vom 26.11.2005