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In diesem Gelsenkirchener Kühlhaus wurde das verdorbene Fleisch gelagert.

Auch Schlachtabfälle verzehrt?

Kriminelle Händler sind auf An- und Verkauf von Ekelfleisch spezialisiert

Von Ernst-Wilhelm Pape
Gelsenkirchen/Melle (WB). Der Fleischskandal in Nordrhein-Westfalen weitet sich aus. Der 39 Jahre alte Fleischgroßhändler Uwe Domenz aus Gelsenkirchen soll auch Schlachtabfälle aufgekauft und in einem Kühlhaus zum Weiterverkauf gelagert haben.

Die Schlachtabfälle sollen nach Behördenangaben von Firmen in Niedersachsen und Baden-Württemberg an Domenz verkauft worden sein.
Auch ein Metzger in Gelsenkirchen ist in Verdacht geraten, bewusst verdorbenes Fleisch zu Bratwürstchen verarbeitet zu haben. Er hatte zehn Tonnen Ekelfleisch von der Firma Domenz zur Weiterverarbeitung erhalten. Lediglich 5600 Bratwürste, 20 Prozent der Produktion, konnten sichergestellt werden. Nach Angaben der Behörden hätte der Metzger wissen müssen, dass das Fleisch genussuntauglich war.
Nach Angaben des Deutschen Bauernverbandes gibt es in Deutschland Händler, die sich auf den Ankauf von Fleisch spezialisiert haben, das nur noch kurz haltbar ist. Das Fleisch werde von Unternehmen angeboten, um den Verlust so gering wie möglich zu halten und um Entsorgungskosten zu sparen, sagte Dr. Richard Bröcker (64) dieser Zeitung. Bröcker ist beim Bauernverband Referatsleiter für Vieh und Fleisch. Den Käufern sei aber klar, dass das Fleisch bis zum Ablauf des Haltbarkeitsdatums nicht verarbeitet werden könne. Deshalb werde es zunächst längere Zeit in Kühlhäusern eingelagert, um einen Abnehmer zu finden. Diese Fleischgroßhändler seien von den Behörden bisher kaum kontrolliert worden. Dies werde jetzt vor allem in Nordrhein-Westfalen systematisch nachgeholt. Deshalb würden auch immer mehr Fleischskandale aufgedeckt. Bröcker: »Man muss sich auch fragen, ob die Verkäufer wussten, was mit ihrem Fleisch geschehen sollte.«
Die unter Verdacht stehende Firma Domenz hatte unter anderem in einem Kühlhaus in Gelsenkirchen 60 Tonnen Fleisch eingelagert. Da die Haltbarkeit abgelaufen war, sollte die Ware mit neuen Etiketten versehen werden.
Die Firma Domenz hatte tiefgefrorenes Fleisch auch in einem Kühlhaus in Melle und in zwei Kühlhäusern in Hamburg eingelagert. In Melle fanden die niedersächsischen Behörden nicht nur verdorbenes Fleisch aus Gelsenkirchen, sondern auch von einer Firma aus Baden-Württemberg. Nach Angaben des niedersächsischen Landwirtschaftsministeriums handelt es sich um Schweinefleisch, Rindfleisch, Hühnerfleisch, Pferdefleisch und Putenfleisch. Die Ware stammte ursprünglich aus Deutschland, Brasilien, Dänemark, Spanien und Italien. Ministeriumssprecher Dr. Gert Hahne: »Wohin das Fleisch von Melle aus geliefert werden sollte, steht noch nicht fest. Als Lebensmittel war das Fleisch nicht geeignet.« Zu der verdorbenen Ware, insgesamt 90 Tonnen, zählten unter anderem Speck, Hüftsteak und Rippchen. Nach Informationen dieser Zeitung sollte Ekelfleisch der Firma Domenz nach Rumänien geliefert werden.
Auch ein 45 Jahre alter Unternehmer aus Lastrup in Niedersachsen hatte mit verdorbenen Fleisch, vor allem Pute, gehandelt. Der Betrieb war Anfang November durchsucht worden und wurde zwischenzeitlich geschlossen. Nach Angaben von Staatsanwalt Bernard Südbeck habe die Firma das Fleisch aus Polen, der Slowakei, Tschechien und Frankreich bezogen. Die Ware sei von Niedersachsen aus dann vor allem an Abnehmer in Nordrhein-Westfalen verkauft worden.
Bisher werde lediglich gegen den 45 Jahre alten Firmeninhaber ermittelt, sagte Südbeck. Der Kreis der Beschuldigten werde sich aller Voraussicht aber noch erhöhen. Der Beschuldigte habe zu den Vorwürfen bisher geschwiegen, sagte der Staatsanwalt.
Kommentar

Artikel vom 23.11.2005