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Das Pulver ging nur nach Israel.

Fall Humana:
Gutachter
ausgebootet

Experte befangen?

Von Christian Althoff
Herford (WB). Im Ermittlungsverfahren um gesundheitsgefährdende Babynahrung des Herforder Herstellers Humana hat die Staatsanwaltschaft dem entscheidenden Gutachter jetzt den Auftrag entzogen - wegen möglicher Befangenheit.

Die Behörde ermittelt seit zwei Jahren gegen vier frühere Humana-Mitarbeiter wegen Verdachts der fahrlässigen Tötung und Körperverletzung. Export-Sojamilchpulver, das zu wenig Vitamin B 1 enthielt, soll in Israel zum Tod zweier Babys und zur Schädigung weiterer Kinder geführt haben.
Mit der Klärung der Frage, ob der Vitaminmangel die Ursache der Todesfälle war, hatte die Staatsanwaltschaft vor geraumer Zeit Prof. Dr. Berthold Koletzko von der Universität München beauftragt. Er ist Autor mehrerer Fachbücher und gilt als Experte für Kinderernährung.
Dr. Holger Rostek, einer der Rechtsanwälte in diesem Verfahren, war vor kurzem auf ein Interview gestoßen, das Prof. Koletzko Ende 2003 dem Magazin Focus gegeben hatte. In dem Beitrag äußerte Koletzko Kritik an Humana und warf dem Unternehmen »völlig irreführender Werbung« in Bezug auf Heilnahrung vor.
»Unter diesen Umständen besteht natürlich die Besorgnis der Befangenheit«, sagte gestern Oberstaatsanwalt Reinhard Baumgart.
Nun suchen die Ermittler einen neuen Gutachter. Zwar liegt ihnen die Expertise der israelischen Ärztin Prof. Dr. Orli El-Peleg vor, die in etlichen Fällen zu dem Schluss kommt, dass das Sojamilchpulver ursächlich für die Erkrankungen war. Doch diese Expertise wird von den Strafverteidigern der vier Beschuldigten als »Parteigutachten« nicht anerkannt. Rostek: »Wer auch immer das Gutachten machen wird - ein Beweis, dass der tragische Tod der Babys auf das Milchpulver zurückgeht, wird nicht zu führen sein, weil die israelischen Behörden damals keines der Opfer obduziert haben.«

Artikel vom 22.11.2005