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Das Spektakel Ronaldinho

Mit seinem Brasilianer setzt der FC Barcelona Europas Fußball-Maßstäbe

Von Friedrich-Wilhelm Kröger
Bielefeld (WB). Dieser Gesichtsausdruck. Gequält saß Thomas Schaaf auf der Bremer Bank, als sein SV Werder das Champions League-Spiel beim FC Barcelona 1:3 verlor. Mal schüttelte der Trainer den Kopf, dann wieder rieb er sich mit den Fingern über die Stirn und sackte entnervt nach hinten zurück.

1:3, das ging aber noch. Auch ein 3:8 wäre möglich gewesen. Nach dem Abpfiff sparte daher auch der schwer beeindruckte Gast aus Deutschland nicht mit Anerkennung für katalanische Kick-Klasse. »Die sind eine andere Nummer als wir«, stellte Werder-Manager Klaus Allofs einen deutlichen Unterschied fest zwischen einer Bundesliga-Spitzenmannschaft und einer wahren Weltklasse-Auswahl.
Wer in diesen Wochen auf den FC Barcelona trifft, erhält gratis feinsten Anschauungsunterricht. Ronaldinho und seine Gesellen spielen fast alles in Grund und Boden. Sie zeigen Tricks, schießen Tore und können notfalls auch etwas Taktik. Und sie haben begriffen, das Wesentliche nicht zu vernachlässigen - Spiele zu gewinnen und Meisterschaften zu holen.
Auf diese Weise hat »Barca« die Favoritenrolle in der Champions League übernommen. Manche würde das nervös machen, in diesem Fall ist es egal. »Wir wissen, was wir können«, sagt Ronaldinho, »und das zeigen wir auch.« Der niederländische Trainer Frank Rijkaard meint: »Wir sind eine effektive Mannschaft.«
Das war nicht immer so. Denn in der vergangenen Saison überließ sich der FC Barcelona in der europäischen Königsklasse im Achtelfinale noch so sehr dem eigenen Rausch, dass es die Sinne vernebelte. Beim 2:1 gegen Chelsea verpasste die Elf im Vergnügungspark Camp Nou einen höheren Heimsieg, beim 2:4 im Rückspiel wurde ihr defensive Sorglosigkeit zum Verhängnis. Rijkaard hat daran gearbeitet und es abgestellt.
In der Champions League kassierte sein Team erst zwei Gegentore, in der Meisterschaft senkte es den Schnitt auf 0,9. Zuletzt scheiterte Erzrivale Real Madrid kläglich daran, dem Titelverteidiger seine Grenzen aufzuzeigen. Der 0:3-Hammer in Bernabeu hatte Schock- und Signalwirkung: Die »Königlichen« werden auch in dieser Saison damit fertig werden müssen, nur noch entmachtete Herrscher zu sein. Gealterte Regenten, gefallene Helden. Bestimmt wird im Fußball-Land mehr denn je von Barcelona.
Alles spricht und staunt über Ronaldinho und bedauert Zidane. Sogar die Real-Anhänger standen auf und spendeten Barcelona Beifall. Dabei wüssten sie eigentlich nicht, was ihnen noch schwerer fällt. Ronaldinho winkte dankbar ins Publikum, das plötzlich seines war - nach einer genialen Genussvorstellung im Feindesland.
Auch gegen Bremen entfaltete der Brasilianer seine Ball-Magie, oder was der Betrachter dafür halten mag. Hinterher sagte der 25-Jährige, dass er noch lernen müsse und besser werden wolle. Schöne Aussichten für alle, die den Fußball lieben. Weniger für jene, die versuchen müssen, ihn in seinem Können einzuschränken.
Im Moment eint niemand besser Enthusiasmus und Ergebnis als Ronaldinho, der alle Chancen hat, zugleich Welt - und Europa-Fußballer des Jahres zu werden. »Er ist ein Spektakel«, preist Werder-Trainer Schaaf den Zampano mit den schiefen Zähnen in den höchsten Tönen. Besonders gekonnt ist dessen »Volterinha«. Dabei dreht sich Ronaldinho mit der Kugel am Fuß um sich selbst. Man sollte das auf dem heimischen Hof gar nicht erst probieren: Bänderriss-Gefahr!

Artikel vom 26.11.2005