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Dem Kanzler standen
Tränen in den Augen

Bundeswehr verabschiedet Schröder mit Zapfenstreich

Von Sigrun Stock
Hannover (dpa). Der Abschied von der Macht ist für Gerhard Schröder am Samstagabend wieder ein Stück näher gerückt: Bei einem feierlichen Großen Zapfenstreich sagte die Bundeswehr dem scheidenden Kanzler in seiner Heimatstadt Hannover Lebewohl.

Vor der eindrucksvollen Kulisse des neogotischen neuen Rathauses wurde der 61-Jährige von Bläsern, Pfeifern und Trommlern mit dem feierlichsten Zeremoniell der Truppe geehrt. Bevor der eigentliche Zapfenstreich begann, spielte das Stabsmusikkorps der Bundeswehr drei Lieder, die Schröder sich wünschen durfte - seine Frau Doris hatte die Stücke für ihren Mann ausgesucht. Eigentlich sollten sie eine Überraschung für den Kanzler werden, doch dann sickerte die Auswahl schon vorher durch.
Beim frechen »Mackie Messer-Song« aus der »Dreigroschenoper« huschte noch ein zufriedenes Grinsen über das Gesicht des Kanzler, anschließend nickte er den Musikern anerkennend zu. Doch schon beim swingend-leichten Wiegenlied »Summertime« von George Gershwin, in dem ein Vater über den Schlaf seines kleinen Kindes wacht, war der Kanzler sichtlich gerührt.
Und als der Solo-Trompeter dann zu Frank Sinatras sentimentalem »My way« ansetzte, standen Schröder die Tränen in den Augen. »And now the end is near. ..« (Jetzt, wo das Ende naht) - mit diesen Worten beginnt die Lebensbilanz eines Mannes, der seinen Weg stets geradlinig ging, nur Weniges zu bereuen hat und stets Wert darauf legte, seinen eigenen Stil zu pflegen (»I did it my way«).
Bei einem seiner letzten Auftritte als Kanzler begleiteten 600 geladene Gäste Schröder. Darunter war sein halbes Kabinett: Verteidigungsminister Peter Struck, Finanzminister Hans Eichel, Justizministerin Brigitte Zypries und Gesundheitsministerin Ulla Schmidt, die Schröder herzlich umarmte. Dabei waren auch der designierte neue Vizekanzler Franz Müntefering und der künftige Außenminister Frank-Walter Steinmeier, einer derjenigen Weggefährten, die Schröder bereits seit seiner Zeit in Hannover begleiten.
Auch Schröders Mutter Erika Vosseler hatte es sich nicht nehmen lassen, den Abschied ihres Sohnes aus nächster Nähe zu verfolgen. Bei knackiger Kälte harrte die 92-Jährige zusammen mit anderen Ehrengästen auf der Tribüne im Rathauspark aus. Unter den Gästen waren ferner der Kanzlerfreund und Chef des Fußball-Bundesligisten Hannover 96, Götz von Fromberg, Scorpions-Musiker Klaus Meine, die Sängerin Katja Ebstein und die Schauspieler Esther Schweins und Ottfried Fischer.
Der strenge Geruch von Teerfackeln lag in der Luft, als der Kanzler die Kulisse kurz vor 21.00 Uhr zusammen mit seiner Frau Doris in einer schwarzen Limousine verließ. Und was wird Schröder machen, wenn er morgen endgültig in die Garde der Altkanzler aufrückt? Seine Memoiren schreiben, sich um seine Tochter kümmern, wieder als Anwalt arbeiten? Auf die Frage nach seiner Zukunft verriet der Kanzler am Samstagabend immerhin, was er definitiv nicht zu machen gedenkt. Mit einem Augenzwinkern dementierte er eine Ankündigung seines Freundes, des Künstlers Bruno Bruni - dieser hatte vor kurzem behauptet, Schröder wolle sein Talent als Maler erproben.

Artikel vom 21.11.2005