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Musliminnen lernen Schwimmen

Stadtsportbund Münster bietet erfolgreiche Integration am Beckenrand

Münster (dpa). Vor der kleinen Schwimmhalle in Münster tummeln sich Frauen in bunten Kopftüchern, schwatzen miteinander auf Türkisch, Arabisch oder Albanisch. Mit ihren Kindern, meist Mädchen im Vorschulalter, warten sie auf den Hausmeister.
Vor der Schwimmstunde werden die Fenster verhängt, bevor das Kopftuch abgenommen werden darf. Foto: Carmen Jaspersen
Nach dem Aufschließen der Tür ist er schnell wieder weg. Offiziell ist Frauenbadezeit in Münsters Stadtteil Kinderhaus, aber tatsächlich ist es ein Treff ausschließlich gläubiger muslimischer Frauen. Jeden Samstag für eine Stunde finden sie hier die einzige Möglichkeit in der 280 000-Einwohner-Stadt, wo sie schwimmen lernen können - geschützt vor nicht gewollten Männerblicken und ohne Kopftuch.
Der speziellen Klientel wegen werden die Fenster der Schwimmhalle mit bunten Tüchern verhängt. Das Kopftuch abnehmen dürfen die Frauen nach ihrer Auslegung des Korans außerhalb der Familie sonst nur unter Ihresgleichen. Eine viertel Stunde später schwimmen gut acht Frauen - die meisten Mittdreißigerinnen - ihre Runden.
Die Kopftücher haben sie in der Umkleide gelassen. Beim Schwimmen tragen auch die Musliminnen heute nur einen Badeanzug. »Erst hier habe ich Schwimmen gelernt«, sagt Makbule Karaagac stolz. Die 36-jährige Mutter hat drei Kinder und sich extra nach der Nachtschicht aufgerafft, weil »der Kontakt« so wichtig ist. Das Schwimmen genießt die Türkin sichtlich, aber auch den Plausch am Beckenrand.
Auch Sevinc Karaman (34) machte als einstige Nichtschwimmerin hier unter Anleitung die ersten Züge durchs Becken. Die vierfache Mutter hat ihre sechsjährige Tochter dabei. Das kleine Mädchen kann zwar auch in der Schule Schwimmen lernen. Aber spätestens wenn die Tochter in die Pubertät kommt und dann - nach dem Willen der Mutter - ein Kopftuch tragen wird, kann sie nur noch hier weiterschwimmen. »Die Bewegung entspannt, und ist auch für die Intelligenz der Kinder wichtig«, weiß ihre Mutter und gelernte Erzieherin nur zu gut.
Das spezielle Angebot hat der Stadtsportbund seit ziemlich genau zehn Jahren im Programm. Anfangs reisten sogar Frauen aus dem Ruhrgebiet an. Heute gibt es anderorts ähnliche Angebote. Die Idee kam von einer deutschen Münsteranerin. Sie hörte bei ihren türkischen Freundinnen, dass sie nicht schwimmen könnten, und aus religiösen Gründen auch keine Gelegenheit hätten, es zu lernen.

Artikel vom 19.11.2005