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Bürokraten-Irrsinn um 60 Cent

Zu viel gezahlte Rente löst Kostenlawine aus - Allein Porto für 1,44 Euro

Von Ulrich Hohenhoff
Brackwede (WB). Das ganze Ausmaß bürokratischen - wenn auch korrekten - Irrsinns flatterte Heidrun Siemon (61) per mehrseitigem Brief ins Haus. Sage und schreibe 60 Cent soll die Rentnerin zurückzahlen. Diesen Betrag habe sie an Betriebsrente zu viel erhalten.
Fassungslos über Bürokratie-Blüten: Rentnerin Heidrun Siemon. Foto: Ulrich Hohenhoff

Nicht etwa pro Monat, sondern insgesamt für einen Zeitraum von 20 Monaten seit Rentenbeginn im Jahre 2004. Das macht 0,03 Euro pro Monat aus. Frankiert war das Schreiben mit 1,44 Euro.
Die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) in Karlsruhe bescheinigte der Brackwederin, »dass wir Ihre Betriebsrente neu berechnet haben, weil Ihr früherer Arbeitgeber berichtigte Versicherungsdaten mitgeteilt hat«. Und dabei stellte sich dann die »Überzahlung« heraus. Gleichzeitig wurde der Frau, die mehr als 22 Jahre auf dem Sennefriedhof gearbeitet hat, mitgeteilt, »dass wir die Rente in der bisherigen Höhe von 188,76 Euro letztmalig für den Dezember 2005 zahlen«.
Nach Abzug der zu viel gezahlten 60 Cent werde der verbleibende Betrag in Höhe von 188,16 Euro für Januar 2006 gesondert angewiesen. Und: »Die laufende Rente von monatlich 188,76 Euro wird ab 1. Februar 2006 im Rentenzahlverfahren der Deutschen Post AG auf das angegebene Konto überwiesen.« Nun ist Heidrun Siemon gespannt, ob denn die um 60 Cent reduzierte Rente tatsächlich als Sonderzahlung kommt. »Das würde ja wieder weitere Kosten für die VBL verursachen.«
Die ehemalige kaufmännische Angestellte kann den bürokratischen Aufwand um »die läppischen 60 Cent nicht fassen«. »Auch wenn das alles den Richtlinien entspricht und der Sachbearbeiter hundertprozentig korrekt gehandelt hat. Das ist doch pure Verschwendung von Steuergeldern.« »Zumal meine Frau ja sicher nicht die einzige ist, da können leicht Tausende Euro zusammenkommen«, erregt sich Ehemann Peter Siemon (58) »über eine derartige Unvernunft«.
Und er hat mal nachgerechnet: allein die 1,44 Euro Porto hätten für 48 Monate ausgereicht, um eine um drei Cent pro Monat erhöhte Rente zu finanzieren. »Noch schlimmer wird es, wenn man die Kosten für Sachbearbeiter und bürokratischen Aufwand, angenommen 300 Euro, hinzurechnet. Dann kommt man auf sage und schreibe 837 Jahre . . .«
»Geradezu abenteuerlich lustig« finden Peter Siemon und seine Frau Heidrun den Hinweis in der mehrseitigen Mitteilung mit beigefügten Merkblättern, »dass gegen die Entscheidung auch Klage erhoben werden kann«.

Artikel vom 19.11.2005