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Chemikalien
ins Prüflabor

EU-Parlament billigt Verordnung

Straßburg (dpa). Das Europaparlament hat das umstrittene EU-Chemikalienrecht REACH in wichtigen Teilen zu Gunsten der Industrie verändert. In einer mehr als zweistündigen Abstimmung reduzierten die Abgeordneten gestern in Straßburg die Anforderungen an die Wirtschaft zur Datenerhebung.

Damit soll vor allem der Mittelstand vor zu hohen Kosten und zu viel Bürokratie geschützt werden. Ziel der Verordnung ist es, den Schutz von Verbrauchern und Umwelt vor Chemikalien zu verbessern. Der europäische Mittelstandsdachverband reagierte positiv auf die Entscheidung. Man könne mit dem Kompromiss gut leben, sagte der deutsche und europäische Mittelstandspräsident Mario Ohoven. Der IG-BCE-Vorsitzende Hubertus Schmoldt sprach von einem »guten Tag für Deutschland und Europa«.
Hingegen zeigten sich die Umwelt- und Frauenverbände BUND, Greenpeace und WECF enttäuscht. Die chemische Industrie habe sich weitgehend durchgesetzt, hieß es in einer gemeinsamen Pressemitteilung. Der Schutz von Frauen, Männern, Kindern und Umwelt dürfe aber nicht kurzsichtigen Interessen von Chemieproduzenten geopfert werden.
Bei dem Votum in erster Lesung stimmten 407 Abgeordnete für den veränderten Gesetzestext, 155 dagegen. Die Mitgliedsländer müssen dem Gesetz noch zustimmen.
REACH (Registrierung, Evaluierung und Autorisierung von Chemikalien) verlangt von den Unternehmen, binnen elf Jahren umfassende Datensätze von 30 000 Stoffen zu erheben, die vor 1981 auf den Markt kamen. Sie werden zum Teil seit Jahrzehnten verwendet, ohne jemals genau untersucht worden zu sein. Eine noch zu schaffende EU-Behörde wird die Daten prüfen und die Substanzen gegebenenfalls zulassen.
Im Vergleich zum ursprünglichen Kommissionsvorschlag hat das Parlament die Datenmengen vor allem in kleinen mittelstandsrelevanten Produktionsmengen deutlich gesenkt. Grüne, Linkssozialisten und Verbraucherverbände sehen darin eine untragbare Verwässerung von REACH. »Für fast 40 Prozent der Substanzen müssen die Unternehmen nicht ausreichend Daten zur Verfügung stellen. Dadurch steigt die Gefahr, dass giftige Substanzen nicht entdeckt werden«, sagte die Abgeordnete Hiltrud Breyer (Grüne).
Als Wermutstropfen empfanden Politiker von CDU/CSU, SPD und FDP, dass sich das Parlament mit Mehrheit dafür aussprach, gefährliche Stoffe für maximal fünf Jahre zuzulassen. Danach sollen sie gegen ungefährlichere Chemikalien ausgetauscht werden.

Artikel vom 18.11.2005