18.11.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Gentleman in
Unterwäsche

Bernhard Roetzel zu Fragen des Stils

Vettweiß (WB). Bei der Krawatte darf es »schon mal krachen«, sagt Bernhard Roetzel, Autor des meistgelesenen Herrenmodebuchs »Der Gentleman«. Neben weiteren Büchern (Der Style-Guide; Mann benimm Dich!) äußert er sich regelmäßig in Beiträgen für Zeitschriften und im Fernsehsen. Das Interview mit Roetzel, der in Vettweiß im Kreis Düren wohnt, führte Bernhard Hertlein.
Bernhard Roetzel schrieb unter anderem den Bestseller »Der Gentleman«.

Täusche ich mich, oder spielen Stilfragen heute im Wirtschaftsleben wieder eine größere Rolle?Roetzel: Auf jeden Fall redet man wieder mehr darüber. Seminare zu diesem Thema sind ausgebucht. Eine Zeit lang war das Thema tabu. Man dachte als Manager nicht an seine Kleidung -Êund wenn doch, dann gab man es auf gar keinen Fall zu.

Muss der Manager von heute Frack und Smoking im Kleiderschrank hängen haben?Roetzel: Einen Smoking auf jeden Fall. Beim Frack hängt es von der Ebene ab, auf der er sich bewegt. In der Regel lohnt es sich mehr, das Geld in einen besseren Alltagsanzug zu investieren.

Wie farbig darf oder soll die Krawatte sein?Roetzel: Je höher die Ebene und je wichtiger die Besprechung, desto dezenter sollte die Krawatte sein. Wer jedoch als Mann im Alltag einen dunklen Anzug, schwarze Schuhe und ein helles, vielleicht leicht gemustertes Hemd trägt, darf es bei der Krawatte schon mal krachen lassen. Andere, etwa die Engländer, sind da übrigens viel mutiger als wir in Deutschland.

Was halten sie von neckischen Figürchen auf dem Schlips?Roetzel: Da kommt es wirklich ganz genau auf das Motiv an. Ich würde keinem Bankangestellten raten, eine Krawatte mit kleinen rosa Schweinchen anzuziehen. Aber kleine Löwen oder Elefanten sind durchaus okay. Es kommt darauf an, wieviel Humor die Geschäftspartner mitbringen. Im Zweifel würde ich mich gegen eine Motivkrawatte entscheiden.

Ist der »Casual Friday« -Êalso der legere, krawattenlose Ausklang einer Arbeitswoche -Êschon wieder unmodern?Roetzel: Er ist bei uns nie modern gewesen. Im deutschen Bekleidungsvokabular fehlen Dinge wie der sportliche Sakko oder der blaue Blazer. Aus Angst, dass es zu leger wird, bleiben die meisten lieber bei ihrem traditionellen Anzug.

Gibt es einen Königsweg zum »Gentleman«?Roetzel: Ein Mann wird nicht durch Kleidung zum Gentleman, sondern durch eine innere Kultiviertheit. Man erkennt ihn deshalb auch noch in der Unterhose. Trotzdem achtet er natürlich auf seine Geschäftskleidung. Sie sollte so teuer sein, wie man es sich eben noch leisten kann -Êvielleicht sogar noch etwas teurer. 90 Prozent der Menschen, mit denen man es zu tun hat, nehmen die Kleidung nicht so wichtig. Aber je höher die Ebene, desto häufiger trifft man auf Gesprächspartner, die schon mit einem Blick auf die Schuhe erkennen, ob einer dazu gehört oder nicht. Wenn einer schon wie zum Beispiel der FDP-Politiker Wolfgang Gerhard das sportliche Button-Down-Hemd mit einer förmlichen Doppelmanschette kombiniert, dann ist klar: Beim Bewerbungsgespräch wäre er auf der Top-Ebene damit sofort aus dem Rennen.
*Morgen ist Roetzel von 10 bis 13 Uhr Gast bei den Couturiers Kleegräfe und Strothmann im Gütersloher Stadtteil Isselhorst.

Artikel vom 18.11.2005