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Adriano trifft nicht mehr

Der Prügelknabe bei Inter Mailand: Brasiliens WM-Star steckt in der Krise

Mailand (dpa). Torflaute, Verletzungen und Jugendsünden - Brasiliens Stürmerstar Adriano steckt in der ersten Krise seiner Karriere. Der schon zum Ronaldo-Erben hochgejubelte Stürmer ist bei Inter Mailand derzeit der Prügelknabe.

Lasche Trainingseinstellung, Unpünktlichkeit und ein allzu großes Faible fürs Mailänder Nachtleben werden dem 23-Jährigen nachgesagt. In Meisterschaft und Champions League hat Adriano, der beim Confederations Cup im Sommer in Deutschland als Torschützenkönig glänzte und als bester Spieler ausgezeichnet wurde, in dieser Saison erst sechs Tore erzielt. Zu wenig für einen Star.
»Ich gebe alles, um wieder der Alte zu werden«, verspricht er seinem besorgten Club und den enttäuschten Fans. In der vergangenen Saison war er mit 16 Treffern noch einer der besten Torjäger der Liga und hatte danach seinen Vertrag bei Inter vorzeitig um zwei Jahre bis 2010 verlängert. Trost für Adriano: Brasiliens Nationalcoach Carlos Alberto Parreira hat diese Woche versichert, dass das Kraftpaket zur Stammelf für die WM 2006 gehört.
Der Höhenflug ist dem jungen Angreifer offensichtlich etwas zu Kopf gestiegen. Auch die vielen Nationalmannschaftseinsätze mit den langen Reisen haben Adrianos Fitness zugesetzt. Als er sich dann auch noch vor einem Monat im Spiel gegen Udinese Calcio die rechte Schulter auskugelte und zwei Wochen aussetzen musste, war Adriano endgültig aus dem Tritt geraten.
»Die Schulter schmerzt immer noch ein wenig, aber das ist keine Entschuldigung«, sagte Adriano. Derzeit laufe es einfach nicht, gab der Brasilianer offen zu und versprach, sich »jetzt hundertprozentig auf seinen Job zu konzentrieren«. Die Kritik an seiner Berufseinstellung aber ließ er nicht auf sich sitzen: »Ich bin keiner, der übertreibt.« Man könne ihm doch nicht vorwerfen, dass er, wie jeder andere in seinem Alter, mal in die Disco oder in ein Restaurant ginge. Sein Trainer tut dies auch nicht - im Gegenteil: »Ich hoffe sogar, dass er sich amüsiert«, sagte Roberto Mancini und nahm seinen Stürmer in Schutz.
Auch Club-Präsident Giacinto Facchetti beließ es bei einer väterlichen Ermahnung, als er Adriano zum Gespräch bat. Inter will Adrianos Selbstvertrauen stärken, anstatt dem verunsicherten Brasilianer eine Standpauke zu halten. »Adriano wird uns wieder zu Siegen verhelfen«, sagte Facchetti. Und auch Mancini versucht es mit Zuckerbrot: »Adriano muss niemandem etwas beweisen.«
Hinter dem Rücken hat der Inter-Coach aber auch schon Mal die Peitsche geschwungen. Gerüchte über einen möglichen Wechsel zu Real Madrid, wo bereits seine Nationalmannschaftskollegen Ronaldo und Robinho stürmen, sorgten für Verärgerung. Auch gegen Adrianos Länderspielreisen wetterte Inter heftig. Denn die Mailänder brauchen dringend Tore von Adriano. Der Florentiner Luca Toni brachte es in elf Spielen bereits auf die grandiose Zahl von 13 Treffern. Seinen Club schoss er damit hinter Titelverteidiger Juventus Turin und dem AC Mailand auf Rang drei in der Tabelle.
Inter liegt mit schon zehn Punkten hinter Spitzenreiter Juve abgeschlagen auf Rang vier. Zu wenig für einen selbst ernannten Titelanwärter mit einem der besten Stürmer der Welt.

Artikel vom 19.11.2005