18.11.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Jagdszenen in Istanbul

Blatter fordert Konsequenzen gegen die Türkei

Istanbul (dpa). Hässliche Jagdszenen im Sükrü Saracoglu-Stadion von Istanbul haben den Schweizer Jubel über die erste WM-Teilnahme seit 1994 getrübt und den türkischen Fußball erneut in Misskredit gebracht.

FIFA-Präsident Joseph Blatter reagierte empört auf die Auswüchse im Anschluss an das WM-Qualifikationsspiel und kündigte nach einer umfassenden Untersuchung der Vorfälle Konsequenzen für die Türkei bis zu einem möglichen Ausschluss aus allen internationalen Wettbewerben an. »Was passiert ist, ist des Fußballs unwürdig. Das habe ich noch nie erlebt. Wir werden die Verantwortlichen bestrafen und hart durchgreifen«, sagte der Chef des Weltverbandes in einem Interview mit dem Schweizer Rundfunk DRS. Bis zur WM-Gruppenauslosung am 9. Dezember in Leipzig will Blatter den Fall vom Tisch haben.
Der Skandal am Bosporus stellte das übrigen Geschehen in der Relegation in den Schatten, in der sich am Mittwochabend neben den Schweizern auch Tschechien, Spanien, Australien sowie Trinidad und Tobago die letzten von 32 Startplätzen für die WM-Endrunde 2006 in Deutschland sicherten.
Unmittelbar nach ihrem letztlich wertlosen 4:2-Sieg über die Eidgenossen fielen die frustrierten Türken über die gegnerischen Spieler her und traktierten sie mit Füßen und Fäusten. »Jeder musste um sein Leben rennen. Ordner und türkische Spieler sind auf uns los gegangen«, schilderte der Stuttgarter Bundesliga-Profi Marco Streller, der seiner wankenden Mannschaft mit dem 2:3 sechs Minuten vor Schluss sportlich die größten Sorgen genommen hatte, die schlimmen Jagdszenen.
Am ärgsten erwischte es Ersatzspieler Stephane Grichting, der nach einem Tritt in den Unterleib ins Krankenhaus musste. Özalan Alpay vom 1. FC Köln trat Augenzeugenberichten zufolge den Frankfurter Benjamin Huggel nieder.
»Bereits vor dem Spiel war ersichtlich, auf welche Art die Türken noch zur WM gelangen wollten. Die Fans vor dem Stadion begegneten allen, die aus der Schweiz kamen, mit Verachtung«, beschrieb die Berner Zeitung »Der Bund« die aufgeheizte Stimmung, die sich nach Spielende in Brutalität entlud. Trainer Jakob »Köbi« Kuhn konnte sich angesichts der Prügelszenen gar nicht richtig über den Erfolg freuen.
»Es ist schlimm, wenn man von der Bank aufsteht und Angst haben muss, dass man von Gegenständen getroffen wird oder Schläge kassiert«, sagte der Coach sichtlich gezeichnet, während sein türkischer Kollege Fatih Terim wutschnaubend den Schiedsrichtern die Schuld für das Scheitern des WM-Dritten von 2002 gab: »Sowohl Michel in Bern als auch De Bleeckere hier in Istanbul waren Schweizer.« Türkische Medien machten derweil die Gäste für die Krawalle verantwortlich. Sie hätten die türkischen Spieler provoziert.
Der Dortmunder ÊTomas Rosicky erzielte für Tschechien im Duell gegen Norwegen den 1:0-Siegtreffer. Seine Elf hatte schon das Hinspiel in Oslo mit 1:0 gewonnen. Spanien bruchte ebenfalls das WM-Ticket, das 1:1 in der Slowakei reichte. Sie hatten in Madrid mit 5:1 bereits den WM-Grundstein für 2006 gelegt.

Artikel vom 18.11.2005