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»Gute Reise, liebste Omi«

Kreative Bürger gestalten Urnen eines Senner Bestatters


Senne (mp). Seine eigene Beerdigung stellt er sich als buntes Fest mit viel Musik und fröhlichen Menschen vor. »Deshalb habe ich bei der Vormbrock-Aktion mitgemacht«, erklärt Eike Zander. »Urnen kreativ zu gestalten, finde ich super. Das entspricht meinem Stil.« Der 64-Jährige aus Vlotho, ehemals Produktionsleiter beim Westdeutschen Rundfunk, war über einen Todesfall in seinem Bekanntenkreis auf die besondere Idee aufmerksam geworden: Steinmetz Ulrich Galling und seine Frau Petra Knoop vom Senner Bestatter Vormbrock hatten im Vorfeld des Totensonntags am 20. November 30 schlichte Terrakotta-Urnen unters Volk gebracht, um sie nach Lust und Laune der Freiwilligen veredeln zu lassen. »Die Menschen in Deutschland sollten sich mehr mit dem Tod auseinandersetzen«, rät Galling. »Dann ist es viel leichter, damit richtig umzugehen.«
Er verweist auf andere Kulturen und Religionen wie den Islam, in dem Bestattungen öffentlicher und tabufreier zelebriert würden. So ähnlich will auch Eike Zander in 30 Jahren in seiner schwarz-weiß gestreiften Urne mit dem chinesischen Gleichgewichtssymbol »Ying Yang« auf dem Deckel zu Grabe getragen werden: »Deshalb ist meine Lebensgefährtin Sigrid schon darauf vorbereitet, dass das gute Stück so lange aufbewahrt wird...« Doch zunächst sind alle so genannten »Über-Urnen« am Totensonntag zwischen 11 und 17 Uhr bei Vormbrocks »Tag der offenen Tür« zu sehen. Die Tongefäße, in denen die tatsächlichen Urnen an Bändern in der Gruft versenkt werden, sind zumeist von Einzelpersonen bemalt, beklebt oder beschriftet worden - mit den unterschiedlichsten Techniken und Motiven. Es sind viele bunte Blumen- und Naturmotive zu sehen, Engel und Kreuze, aber auch Wattebäuschchen und Federn. Ein Philosophie-Kurs des Helmholtz-Gymnasiums, Jahrgangsstufe neun, gestaltete in Teamarbeit gleich sechs Urnen, darunter eine grüne mit Motiven vom Fußballplatz. »Gute Reise«, wünscht ein Kreativer seinem Angehörigen, ein anderer verabschiedet sich mit »Die Liebe ist stärker als der Tod.«
»Wir sind wirklich begeistert vom Einfallsreichtum, mit dem die Leute an diese Aufgabe herangegangen sind«, schwärmt Ulrich Galling. »Es ist so wichtig, dass das Thema ÝTodÜ nicht immer beiseite geschoben wird. Denn der Alltag zeigt, dass viele Leute in der Schocksituation, die der Tod eines geliebten Menschen mit sich bringt, völlig rat- und hilflos sind.« Oft hätten selbst Eheleute keine Ahnung, welche Bestattungsform der andere überhaupt für sich gewünscht hätte.

Artikel vom 18.11.2005