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Der Kaufrausch
kann beginnen
Glitzermetropole New York mit Santa Claus allüberall
Bei Saks Fifth Avenue stehen die Menschen Schlange, mehrere Santa Claus', die US-Version des Weihnachtsmannes, ordnen die Reihen. In dem Edelkaufhaus im Herzen Manhattans gibt es kein Sonderangebot - erst recht nicht in der Vorweihnachtszeit. Kinder und Erwachsene stehen an, um die märchenhaft-prachtvollen Schaufenster zu bewundern.
New York im (Vor-)Weihnachtsrausch. Wenn Sie glauben, auf der Bahnhofstraße in Bielefeld, auf dem Berliner Kurfürstendamm oder auf der »Kö« in Düsseldorf herrsche an den Adventssamstagen Gedränge - dann fehlt Ihnen der Vergleich mit New York im Shopping-Rausch.
Nicht nur Touristen aus dem Ausland schieben und drücken vor Schaufenstern und auf Gehwegen, zahllose Amerikaner reisen zumindest für ein Wochenende an, um dem Christmas-Shopping zu frönen. Macy's am Herald Square hat an den meisten Tagen in der Vorweihnachtszeit bis Mitternacht geöffnet, Mitarbeiter regeln den »Fußgängerverkehr« in den Verkaufsetagen: »Hier bitte nur nach rechts gehen. . .«. Das Verkaufspersonal aber bleibt stets freundlich und hilfsbereit, auch wenn die Theken umlagert sind, alle sofort bedient werden möchten. Aber: Die Stimmung ist niemals aggressiv, man wartet gelassen, bis Santa Claus, der in jedem Kaufhaus darauf wartet, dass Kinder ihm ihre geheimen Wünsche zuflüstern, Zeit hat - es ist ja schließlich bald Weihnachten.
Der erste Weg führt jeden New York-Besucher zum Rockefeller-Center: Dort steht Jahr für Jahr Amerikas Weihnachtsbaum Nummer eins, ja, der wohl berühmteste Weihnachtsbaum der Welt. Obwohl riesig groß, wirkt er vor der Kulisse der Wolkenkratzer heimelig. Tubaengel, Kränze mit vorzugsweise roten Schleifen, vielen Lichtern und der überreich mit bunten Kugeln geschmückte Baum - da schlägt das weihnachtliche Herz New Yorks. Da macht es dann auch nichts, dass für das Schlittschuhlaufen vor dem Baum nicht nur Geduld beim Anstehen, sondern auch noch ein exorbitanter Preis verlangt wird.
Schlittschuhlaufen ist auch im Central Park möglich - teuer, aber ebenfalls vor eindrucksvoller Hochhaus-Kulisse: Dort dudelt von morgens bis abends »Jingle Bells« oder »Rudolph The Red Nose Reindeer«, es gibt heißen Kakao zu trinken und auf der Eisbahn ist oft ein Gedrängel wie auf Fifth Avenue oder Broadway. Schließlich laufen hier die lieben Kleinen der »Oberen Zehntausend« mit ihrem »personal trainer«.
Wer einen Platz in einem der zahllosen Restaurants ergattern will, muss telefonisch vorbestellen oder sich in Geduld fassen. Schlange stehen bedeutet aber auch: Bekanntschaften schließen. Da können die, die in New York auf Schnäppchenjagd gehen wollen, so manchen Tipp bekommen: Denn irgendwo ist immer »Sale«.
Wer seine Zeit allerdings nicht ausschließlich damit verbringen will, zwischen Macy's, Bloomingdale's und Bendel, zwischen Tiffany's, Century 21 und Disney Store hin und her zu laufen und Geld auszugeben, der sollte New Yorks Museen besuchen: der Kunstwerke wegen, aber auch, weil jedes Museum ein Café hat - mit meistens schönem Blick und ohne lange anstehen zu müssen. Zudem lädt in jedem Museum ein Laden ein, weiter zu shoppen. Und zu shoppen. Und dann gibt es noch diverse Weihnachtsmärkte, zum Beispiel zwischen 5. und 6. Straße hinter der Bibliothek, die das Stöbern lohnen. Zugegeben: In New York ist (fast) alles deutlich teurer als hier zu Lande. Es sei denn, man verlässt Manhattan und fährt in eines der Outlet-Center vor der Stadt. Aber: Der Bummel durch die Geschäfte macht Spaß - auch, wenn man nichts einkauft.
Hilfsreich für die, die wirklich etwas Bestimmtes suchen, sind Shoppingführer wie »Shopping in New York« von Suzy Gershman (zuletzt 2002 erschienen) oder Gerry Frank's »Where to find it, buy it, eat it in New York«. Damit vertut man keine Zeit, weil man weiß, wohin man will und wie man dort am schnellsten hinkommt.
Die Fifth Avenue gilt nach wie vor als eine der teuersten Einkaufsstraßen der westlichen Hemisphäre. Zwischen der 33rd und 59th Straße sind sämtliche Nobelmarken zu finden. Wer das Geld nicht mit beiden Händen ausgeben will, kann sich in SoHo im Bereich der Canal Street umschauen - dort sind zwar auch Nobelmarken vertreten, aber Manhattan wirkt hier noch beinah kleinstädtisch.
Auch, wenn der Schlachtruf bei vielen Amerikanern lautet »Shop till you drop« (Einkaufen bis zum Umfallen), sollte man das nicht unbedingt konsequent umsetzen. Nicht zuletzt ist das eine Geldfrage. Window-Shopping macht ebenfalls Spaß. Für das klassische Sightseeing sollte auch noch Zeit bleiben - Weihnachten ist schließlich überall und »Rudolph The Red Nose Reindeer« kann man spätestens nach zwei Tagen Wort für Wort mitsingen: »klippklapp, klippklapp. . .«
Sehenswert neben der »Rockefeller«-Tanne: der weihnachtliche Schmuck der New Yorker Börse an der Wallstreet. Das komplette Gebäude ist von winzigen Lichtern überzogen, die allesamt die amerikanische Flagge bilden.
In New York hat die Vorweihnachtszeit mit der Thanksgiving-Parade am 24. November begonnen. Auf dem letzten Wagen des Umzugs mit aufwändigen Gefährten und Kostümen sitzt Santa Claus. Sponsor des jährlichen Spektakels ist besagtes Kaufhaus Macy's: Der Kaufrausch kann beginnen.
Wem die Füße weh tun, der sollte - trotz des Andrangs - versuchen, vielleicht einen Kaffee und ein Stück »Käsekuchen New York Style« zu erobern. Und ein schönes Plätzchen zum Sitzen und Erholen.
In New York kann man sich einmal »rund um den Erdball« essen - everything goes. Und wer nicht auf dem berühmten Oak Room des Plaza-Hotels besteht, der findet in den Nebenstraßen der Avenues Lokale, in denen die Menüs ihren Preis auch wert sind.
Beim Einchecken am Flughafen erntet man erstaunte Blicke, wenn man nur ein Gepäckstück aufgibt und nicht auch noch zusätzlich Dutzende von Tüten als Handgepäck zu deklarieren versucht: »Na, nichts gefunden?«
Gefunden schon, aber nicht gekauft. Schließlich war der Hotelaufenthalt teuer genug. Erst recht jetzt, in der Vorweihnachtszeit.Burgit Hörttrich

Artikel vom 10.12.2005