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Üppige Vergoldung, zierliche Bemalung und tiefsinnige Spruchweisheiten: Freundschaftstassen.Auch die Religion wurde bemüht, um an die Tugendhaftigkeit zu appellieren.

Ehret die Männer, die schützen und nähren

Freundschaftstassen des Biedermeier zieren Sprüche


Von Burgit Hörttrich und
Carsten Borgmeier (Fotos)
Bielefeld (WB). »Ehret die Männer/ die schützen und nähren/ Liebend die Frauen/ und was sie gebähren«. Liebeserklärungen, Treueschwüre und Freundschaftsbekenntnisse, Glückwünsche und patriotische Sprüche zieren Porzellantassen, die vor allem zwischen 1800 und 1850 sensationelle Erfolge feierten.
Das Museum Huelsmann im Ravensberger Park stellt diese Freundschaftstassen in einer neuen Ausstellung vor: »Nichtiges und Wichtiges« wird am Sonntag, 20. November, eröffnet.
Die Tassen (und die dazu gehörigen Untertassen) sind dem Museum als Dauerleihgabe überlassen. Gesammelt hat sie das Ehepaar Homann aus Dissen, das die erste Freundschaftstasse auf einem Flohmarkt entdeckt und gekauft hat. Damit war eine lebenslange Leidenschaft erwacht. Die Sammlung wurde dem Bielefelder Museum als Dauerleihgabe überlassen.
Museumsleiterin Dr. Hildegard Wiewelhove erklärt, dass die Tassen allesamt Unikate seien oder höchstens in Kleinstserien hergestellt worden seien. Sie wurden nicht benutzt, sondern präsentiert - gern in eigens dafür angefertigten Vitrinen. Hildegard Wiewelhove: »Man zeigte eben, dass man Freunde hatte.« Wieviel der Beschenkte dem Freund, dem Verlobten oder Ehemann, dem Sohn oder der Tochter wert war, ließ sich am Dekor mit (mehr oder weniger) aufwändiger Malerei und vor allem an der Vergoldung ablesen.
Die Spruchweisheiten hätten die Gefühlslage der Menschen widergespiegelt, waren mitunter doppeldeutig oder humorvoll.
Es gibt Tassen mit konventionellen Sprüchen wie »Gott segne unseren Ehestand« oder »Nimm freundlich die kleine Gabe« oder »Zufriedenheit sei dein Loos« oder »Eine feste Burg ist unser Gott«, aber auch solche mit Reimen, die wirken, als seien sie einem Poesiealbum entlehnt: »Unsere Freundschaft soll besteh'n/ Bis dieser Hahn beginnt zu kräh'n« oder »Gesundheit verlängere dein Leben und Freude verkürze die Zeit« oder »Winkt eigenes Herz Dir Beifall zu, dann kannst Du anderen Lohn entbehren« oder aber - auf einer Tasse, die ein Grabstein ziert - »Könnt ich wie mit Lethe füllen/ Gram und Leiden dir zu stillen«.
Hildegard Wiewelhove: »Die Freundschaft sollte auch in schwerer Zeit halten - über das Grab hinaus.« Es gab Tassen zu nationalen Feiertagen oder bedeutenden Siegen im Krieg (inklusive der Schlachtfeld-Pläne auf der Untertasse). Auch das »Eiserne Kreuz«, Anfang des 19. Jahrhunderts von Schinkel entworfen, taucht auf.
Symbole sind der Liebesgott Amor als ewiger Herzensbrecher oder auch die Schlange, die sich in den Schwanz beißt (ewige Freundschaft). Hildegard Wiewelhove: »Esprit spielte eine wichtige Rolle.«
Im Mittelpunkt des Denkens stehen die bürgerlichen Tugenden, sie bilden den neuen Maßstab des Biedermeier, ihnen wird vor allem auf den Tassen gehuldigt.
Ein kurzes Revival erlebten die Tassen vor allem mit patriotischen Motiven vor und im Ersten Weltkrieg. Und in den 1950er Jahren als so genannte Sammeltassen. Die Museumsleiterin: »Das waren aber längst keine Unikate mehr, sondern Serienware.«

Artikel vom 17.11.2005