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Korruption hat tödliche Folgen

In Europa gehen dem Gesundheitswesen jährlich 30 Milliarden Euro verloren

Von Ernst-Wilhelm Pape
Brüssel (WB). Betrug und Korruption im Gesundheitswesen führen nach Angaben der Europäischen Anti-Betrugskonferenz auch zum Tod von Patienten. Ferner wird geschätzt, dass in Europa jedes Jahr 30 Milliarden Euro durch Betrug im Gesundheitswesen verloren gehen.

Jeder wegen Betruges verlorene Euro bedeute, dass irgendwo Menschen nicht die nötige Behandlung bekämen, länger krank seien und in einigen Fällen sterben würden, obwohl dies zu verhindern wäre, teilte die Organisation mit: »Betrug im Gesundheitswesen tötet.«
Um den Kampf gegen Korruption und Betrug zu verstärken, hat die Anti-Betrugskonferenz das Europäische Netzwerk gegen Betrug und Korruption im Gesundheitswesen (EHFCN) gegründet. Im nächsten Jahr will das European Healthcare Fraud and Corruption Network (EHFCN) mit Unterstützung der EU in Brüssel ein hauptamtliches Büro eröffnen.
Nach Angaben von Dr. Gabriele Bojunga von der Antikorruptionsorganisation Transparency Deutschland diene eine europäische Dachorganisation der Abschreckung und dem Informationsaustausch sowie einer gemeinsamen Strategie zur Bekämpfung der Korruption und des Betruges. Kanadische Antikorruptions-Experten hätten bereits eine Zusammenarbeit mit der Büro in Brüssel zugesagt.
Ein Hauptaugenmerk müsse sich auf die Bekämpfung des grauen Arzneimittelmarktes richten. Viele Rauschgifthändler würden bereits auf gefälschte Medikamente umsteigen. Bojunga: »Das Geschäft mit gefälschten Arzneimittel ist lukrativer geworden, da die Aufklärung schwieriger als bei Rauschgiftdelikten ist. Bei Medikamenten ist daher der Nachweis einer lückenlosen Vertriebskette notwendig.«
Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) schätzt, dass die globale Arzneimittelfälschung bereits einen Wert von 29 Millionen Euro erreicht hat. Nach Angaben der Apothekerkammer Westfalen-Lippe könnten gefälschte Arzneimittel für die Patienten völlig wirkungslos, aber auch schwer schädlich sein. Vor allem die Kontrolle von Arzneimittel, die im Internet gehandelt würden, müsse verstärkt werden. Dem Bundeskriminalamt (BKA) in Wiesbaden sind seit 1996 36 Fälle von Arzneimittelfälschung bekanntgeworden. 27 dieser Fälle hätten einen Bezug zu Deutschland, sagte eine BKA-Sprecherin.
An der Einrichtung des neuen europäischen Anti-Korruptionsbüros in Brüssel sind Organisationen sowie Behörden aus England, Wales, Spanien, der Türkei, der Slowakei, Slowenien, Litauen, der Niederlande, Frankreich und Deutschland beteiligt. Deutschland wird vom Bundesverband der Innungskrankenkassen (IKK) vertreten. Die Arbeitsgruppe Abrechnungsmanipulation der IKK ist für die Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenkassen tätig. Olaf Schmitz-Elvenich (IKK): »Das europäische Anti-Korruptionsbüro in Brüssel soll die nationalen Stellen beim Kampf gegen kriminelle Machenschaften unterstützen.« Eine Strafverfolgung bleibe Sache der staatlichen Behörden.
Generaldirektor des Europäischen Netzwerkes gegen Betrug und Korruption im Gesundheitswesen ist der Brite Jim Gee. Er ist beim britischen Gesundheitsdienst Direktor der Abteilung für Betrugsbekämpfung und Sicherheitsmanagement. Nach Angaben des EHFCN seien in England und Wales in den vergangenen fünf Jahren auf dem größten Betrugsfeld im Gesundheitswesen, dem Patientenbetrug, die Fälle um 50 Prozent zurückgegangen. Durch eine gemeinsame Vorgehensweise sowie die Verfolgung einer ähnlichen Strategie wie in Großbritannien habe Europa nun die Möglichkeit, die durch Betrug verursachten Verluste im Gesundheitswesen um 50 Prozent zu reduzieren. In den nächsten fünf Jahren könne die Schadenssumme um 15 bis 50 Milliarden Euro gesenkt werden.
www.ehfcn.org

Artikel vom 18.11.2005