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Nur mit den Eltern in den Potter-Film

Jugendforscher warnt vor schlaflosen Nächten - Bewertungsstelle vergibt Prädikat »wertvoll«

Von Dietmar Kemper
Bielefeld (WB). »Auch ich bekam Angst«, gab Zauberschülerin Hermine im Interview zu. Ist der gestern in den deutschen Kinos angelaufene Film »Harry Potter und der Feuerkelch« zu grausam für Kinder? Nein, sagen der Jugendforscher Christian Palentien und die Filmbewertungsstelle in Wiesbaden.

Jungen und Mädchen müssen mindestens zwölf Jahre alt sein, um allein in den neuen »Potter« gehen zu dürfen. Der erste Film »Der Stein der Weisen« war 2001 noch für Sechsjährige freigegeben. Diesmal kämpft Harry auf einem düsteren Friedhof mit seinem Erzfeind Voldemort, besiegt einen Feuer speienden Drachen, ringt mit Würgepflanzen und liefert sich unter Wasser eine Schlacht mit Dämonen.
»Bei sensiblen Kindern muss der Kinobesuch genau geplant werden«, rät Christian Palentien vom Zentrum für Kindheits- und Jugendforschung der Universität Bielefeld. Eltern sollten eine frühe Vorstellung wählen, damit es nach Ende des Films draußen noch hell ist. »Durch den Unterschied zwischen dem dunklen Kinosaal und dem hellen Tageslicht merkt das Kind schneller, dass alles nur Fiktion war«, sagte Palentien gestern dieser Zeitung.
Der Wissenschaftler empfiehlt Eltern, mit zu gehen, die Reaktionen zu beobachten und über das Gesehene zu sprechen. Sonst drohten schlaflose Nächte und depressionsähnliche Zustände. Machten die Eltern den Kindern klar, dass es keine Drachen gibt, zerstörten sie eine furchteinflößende Vorstellung. Auch wenn der Regisseur bei den Effekten wieder eins draufgesetzt habe, spreche prinzipiell nichts dagegen, den Film anzuschauen, sagte Palentien.
Von der Filmbewertungsstelle in Wiesbaden (FBW) erhielt der Streifen das Prädikat »wertvoll«. Er sei »fulminant inszeniert und für viele Altersgruppen ein Vergnügen«. Trotz der Freigabe erst ab 12 handele es sich nicht um einen Erwachsenenfilm, sagte FBW-Verwaltungsdirektor Alf Mayer gestern dieser Zeitung. Es sei falsch, dem neuen »Potter« ein Gewaltproblem anzuheften: »Der Film enthält keine zusätzliche Härte, so dass auch Kindern ab 8 Jahren kein seelischer Schaden droht.« Weil Harry Potter mit seinem Publikum wachse, habe Regisseur Mike Newell die Dosis Action »behutsam erhöht«, aber dennoch sei »jedes Märchen grausamer«. Dass der Film für Sechsjährige ungeeignet ist, hänge mit seiner Länge zusammen, sagte Mayer: »157 Minuten überfordern die Aufmerksamkeit.«
Beim Tod von Dumbledore, dem Leiter der Zauberschule, habe ihr Sohn »geheult«, sagte Birgit Völxen von der »Landeselternschaft Grundschulen« in Bochum. Dumbledore stirbt nicht im Film, sondern im aktuellen Buch »Harry Potter und der Halbblutprinz«. Völxen: »Jeder Band ist immer stärker für Erwachsene geschrieben.« Ob Buch oder Film: Manches Kind sei vom Inhalt überfordert.

Artikel vom 17.11.2005