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OWL-Firmen sind enttäuscht

Koalitionsvertrag unterzeichnet - Unternehmen vermissen Impulse

Bielefeld (WB/ef). Die ostwestfälische Wirtschaft bewertet den am Freitag in Berlin unterzeichneten Koalitionsvertrag mit großer Skepsis. Fast jedes vierte Unternehmen rechnet mit schlechteren, 13 Prozent mit besseren geschäftlichen Perspektiven. Der große Rest erwartet keine Veränderungen.

Das ist das Ergebnis einer aktuellen Blitzumfrage der Industrie- und Handelskammer (IHK) Ostwestfalen zu Bielefeld. An der Umfrage beteiligten sich 263 Firmeninhaber und Führungskräfte aus der Region, darunter 68 Industrieunternehmen, 55 Handelsbetriebe und 96 Dienstleister.
»Die Betriebe sind offensichtlich enttäuscht davon, dass der dringend erforderliche wirtschaftspolitische Reformkurs von der großen Koalition nur sehr zaghaft eingeschlagen wird«, beurteilte IHK-Präsident Herbert Sommer die Umfrage, die zwar nicht repräsentativ sei, wie er am Freitag betonte, aber ein Stimmungsbild zeichne.
Noch im August dieses Jahres, also nur wenige Wochen vor der Neuwahl zum Bundestag am 18. September, glaubte jedes zweite Unternehmen an eine bessere und nur 4,4 Prozent der Firmen an eine schlechtere Perspektive. Ähnlich sieht es mit der Investitionsbereitschaft der Unternehmen am Standort Deutschland aus: Vor den Neuwahlen hatten 60 Prozent der befragten Unternehmer vor zu investieren, nach der Koalitionsvereinbarung sind es nur noch knapp 20 Prozent.
Diese Zurückhaltung führt aber offenbar nicht zu einem weiteren Personalabbau. 61 Prozent wollen die Zahl ihrer Mitarbeiter in Deutschland konstant halten, 20 Prozent abbauen und 18,4 Prozent neue Kräfte einstellen.
Die von der schwarz-roten Koalition jetzt festgezurrten politischen Maßnahmen stoßen auf ein geteiltes Echo. Durchweg gute Noten erteilt die ostwestfälische Wirtschaft für die Streichung von Steuersparmodellen, den Verzicht auf Erbschaftssteuer bei zehnjähriger Betriebsfortführung sowie dafür, dass mehr Mittel für Forschung und Entwicklung bereit stehen sollen. Ein glattes mangelhaft gab es dagegen für das Vertagen von Gesundheit- und Unternehmenssteuerreform sowie für die Erhöhung der Mehrwertsteuer von 16 auf 19 Prozent ab 2007. »Alles in allem sehen wir keinen Aufbruch zu neuen Ufern«, lautet das Fazit der Online-Umfrage von IHK-Präsident Sommer. »Dennoch sind wir optimistisch, dass sich noch einiges ändern wird.« Der Druck auf die Politik, die Arbeitslosigkeit wirksam zu bekämpfen, sei groß.
In demonstrativer Harmonie haben Union und SPD zwei Monate nach der Neuwahl den Koalitionsvertrag in Berlin besiegelt. Letzter Akt für die Bildung der zweiten großen Koalition in der Geschichte der Bundesrepublik ist am Dienstag die Wahl von CDU-Chefin Angela Merkel zur ersten deutschen Kanzlerin. Bei der Vertragsunterzeichnung sagte die 51-Jährige in Berlin: »Wir wollen Deutschland wieder nach oben führen.« SPD-Chef Matthias Platzeck bezeichnete das Bündnis als »Koalition der Verantwortung für Deutschland«. Themen der Zeit

Artikel vom 19.11.2005