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Die Entdeckung
der japanischen
Alltagsküche

Kochkurse gibt's zweimal pro Jahr

Von Annemargret Ohlig
(Text und Fotos)
Brackwede (WB). Umringt von aufmerksamen Zuschauern demonstriert Setsuko Hüstebeck, wie Gurken, Möhren, Rettich oder Kartoffeln in Windeseile und höchst geschickt mit einem großen Kochmesser zu feinen, streichholzgroßen Streifen geschnibbelt werden - als Grundlage für knackige japanische Salate.

Die 13 »Kochlehrlinge« haben der Japanerin, die seit mehr als drei Jahrzehnten in Bielefeld lebt und als Krankenschwester in Bethel gearbeitet hat, dabei genau auf die Finger geschaut. Denn zwei Stunden später - eine bunte Vielfalt leckerer Gerichte der japanischen Alltagsküche steht inzwischen verzehrbereit auf dem langen Esstisch - ist bei den »Koch-Eleven« kein Blut geflossen, kein Pflaster verbraucht worden. Und das trotz der scharfen Schneidgeräte in der Lehrküche der Brackweder Realschule. Und so ist der Genuss ungetrübt, als es schließlich heißt: »Ita da ki ma su - Guten Appetit«! Denn was an diesem Abend gemeinsam geschnibbelt, gerührt, gegart und gebraten wurde, das wird als krönender Abschluss gemeinsam verspeist.
»Zweimal im Jahr bieten wir solche Kochkurse mit unterschiedlichen ÝKöchinnenÜ an«, sagt Gisela Bremer, Vorsitzende der Deutsch-Japanischen Gesellschaft Bielefeld. »Die Nachfrage ist groß.« Ein Blick auf die Anmeldeliste zeigt: Das Interesse an der japanischen Küche beschränkt sich dabei nicht nur auf die eigenen Vereinsmitglieder.
Mehr als die Hälfte der Teilnehmer - darunter der Profi-Koch und Küchenmeister Klaus-Wilfried Meyer - sind Nichtmitglieder. Auch sie möchten mit asiatischer Küche eine gesunde Abwechslung in den eigenen Speiseplan bringen. Deshalb wollen sie unter fachkundiger Anleitung Rezepte, Tipps und Kniffe kennen lernen.
Überraschend wirkt es allerdings, dass sich beim Kursus neben der Koch-Expertin Setsuko Hüstebeck noch ein weiterer leibhaftiger Japaner, Toshiaki Ikeda (34), als »Lehrling« eingefunden hat. Wie alle anderen auch raspelt Ikeda eifrig Zutaten für Momiji Ae (Roter Blätter-Salat) oder püriert Sesam für Goma Ae (Sesamsoße), und, und, und...
Die Teilnahme an diesem Abend war allerdings nicht seine eigene Idee. Obwohl er einen Kochkurs durchaus nötig habe, wie der junge Mann zugibt. Ikeda, der sich an der Bielefelder Universität mit der Rechtsgeschichte der frühen Neuzeit für eine Doktorarbeit beschäftigt, ernährt sich in Deutschland nämlich - höchst ungesund - vorwiegend von Pommes frites und den Angeboten eines türkischen Imbisses.
Eine deutsche Freundin, Kathrin Lölfing (23), habe ihn mitgeschleppt. »Ich bin eine Wiederholungstäterin«, sagt die 23-Jährige begeistert. Schon im Frühjahr, als sie Mitglied der Deutsch-Japanischen Gesellschaft Bielefeld wurde, hat sie erstmals an einem Koch-Angebot teilgenommen. Jetzt will sie bei Setsuko Hüstebeck weitere Rezepte kennen lernen - ebenso wie Freundin Aleksandra Balcerzewicz (26).
Berufliches und persönliches Interesse haben Klaus-Wilfried Meyer, Küchenchef des Städtischen Klinikums Bielefeld und Leiter der Ernährungstherapie, sowie Ehefrau Gillian zu Setsuko Hüstebeck »an den Herd getrieben«. »Ich habe erst einmal japanisch gekocht - beim Weltkongress der Kochverbände in Tokyo«, berichtet er. Er wisse aber: »Die gesunde asiatische Küche mit ihren vielen frischen Zutaten ist ÝSuperbenzinÜ für den Körper.«
Ob die Patienten künftig mit japanischem »Superbenzin« aus der Krankenhausküche wieder auf die Beine und in Schwung gebracht werden? Auf diese Frage antwortet Meyer mit einem Achselzucken. Und setzt hinzu: »Vermutlich nicht. Denn im Alltag ist die sehr zeitaufwändige japanische Art zu kochen bei uns leider nicht umsetzbar.« Bei Meyers Zuhause wird's dagegen jetzt öfter am Esstisch asiatisch zugehen.

Artikel vom 17.11.2005