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Moshammers Tod
regt Fantasien an

Der Prozess endet am Montag

München (dpa). Der Angeklagte wurde gestern 26 Jahre alt. »Es tut mir leid, dass es passiert ist«, sagte Herisch A. in seinem Schlusswort. Der Iraker hat den homosexuellen Modemacher Rudolph Moshammer in der Nacht zum 14. Januar nach einem Streit um die Bezahlung von Sex-Diensten mit einem Elektrokabel erdrosselt.
Rudolph Moshammer wurde in seiner Wohnung in München ermordet. Foto: Reuters

Mancher Prozess-Besucher hat sich längst sein eigenes Bild vom Tod des Münchner Modemachers gemacht. »Es war geschickt getarnter Selbstmord«, ist ein Zuschauer überzeugt. »Er war ja sehr krank.« Andere glauben, es sei um sado-masochistische Spiele gegangen. Der gewaltsame Tod des Paradiesvogels und Medienlieblings Moshammer regt die Fantasien an.
Nach Auffassung der Staatsanwaltschaft hat der Iraker Moshammer heimtückisch und aus Habgier ermordet, um den 64-Jährigen zu berauben. Staatsanwalt Martin Kronester beantragte gestern zudem, die »besondere Schwere der Schuld« festzustellen. Damit wäre eine Haftentlassung nach 15 Jahren nicht möglich.
Die Verteidigung sieht dagegen nur den Tatbestand des Totschlags erfüllt. Moshammer habe den Angeklagten mit seiner schroffen Art provoziert. Während der Modemacher zu Lebzeiten vor allem für sein soziales Engagement bei den Obdachlosen bekannt war, schilderten mehrere Zeugen vor Gericht andere Charakterzüge des Edelschneiders. Diesen Aussagen zufolge reagierte er oft keineswegs milde und menschenfreundlich, sondern herrisch und cholerisch.
Habgier liege nicht vor, da keine Wertsachen entwendet wurden, sagte Anwalt Jürgen Langer in seinem Plädoyer. »Es muss ein anderes Motiv gegeben haben.« Herisch A. war nach der Tat mit 400 Euro geflüchtet, die er in Moshammers Sakko fand. Die Kreditkarten spülte er in die Toilette.
Im Prozess verwirrte Herisch A. das Gericht immer wieder durch widersprüchliche und ungewöhnliche Aussagen. »Er hat uns beispielsweise erklärt, dass er geschickt worden ist, um das Lebenslicht des Rudolph Moshammer auszulöschen«, sagte Staatsanwalt Kronester.
Einig waren sich Anklage und Verteidigung über die Qualität der Aussagen mancher der 50 Zeugen. »Es gab Zeugen, die verstanden das Verfahren als eine Form der Abrechnung mit Rudolph Moshammer«, präzisierte Staatsanwalt Kronester. »Andere Zeugen haben es genutzt, um sich noch einmal in seinem Glanze zu sonnen.«

Artikel vom 17.11.2005