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Gericht: Nicht
jedes Drängeln
ist Nötigung

Verkehrswacht kritisiert Beschluss

Von Christian Althoff
Bielefeld (WB). Wer auf der Autobahn auf einer Strecke von mehreren hundert Metern drängelt, begeht noch keine Nötigung. Mit dieser Begründung hat das Oberlandesgericht Hamm ein Urteil des Bielefelder Amtsgerichtes aufgehoben. Die Verkehrswacht sprach gestern von einem »fatalen Signal«
Bernd Fenske, Sprecher der Verkehrswacht.
Die Bielefelder Richter hatten einen BMW-Fahrer wegen Nötigung zu 1200 Euro Geldstrafe und einem Monat Fahrverbot verurteilt. Der Mann war auf der A 2 zwischen Bielefeld und Herford in Fahrtrichtung Hannover unterwegs gewesen. Nach Feststellung des Gerichtes war er auf der linken Spur dicht hinter einem VW gefahren und hatte dessen Fahrer per Lichthupe bedeutet, den Weg freizumachen. Der VW-Fahrer lenkte seinen Wagen schließlich auf die mittlere Spur, doch der BMW-Fahrer überholte zunächst nicht. Vielmehr blieb er über eine längere Strecke mit dem VW auf einer Höhe, so dass dessen Fahrer nicht zurück auf die linke Spur zurückkehren konnte, sondern schließlich gezwungen wurde, wegen eines vorausfahrenden Autos stark zu bremsen.
Als der BMW-Fahrer in Herford die Autobahn verließ, wurde er an der nächsten Ampel von dem VW-Fahrer und dessen Begleitern zur Rede gestellt und später angezeigt.
Nach seiner Verurteilung zog der BMW-Fahrer per Spungrevision vors Oberlandesgericht und hatte Erfolg. Ein »Bedrängen durch den Aufschließenden in Überholabsicht oder andere Behinderungen, selbst wenn diese verkehrswidrig oder aus demonstrativen Gründen erfolgen, stellen noch keine Nötigung dar«, heißt es in dem Beschluss. Auch dichtes Auffahren unter Betätigung der Lichthupe sei keine Nötigung, wenn sich der Vorgang nur über »wenige hundert Meter« abspiele. »Da das Amtsgericht jedoch nicht festgestellt hat, über welche Dauer oder Entfernung der Angeklagte den anderen Fahrer bedrängt haben soll, ist das Urteil aufzuheben«, schrieben die Hammer Richter und verwiesen den Fall zurück ans Amtsgericht.
»Das kommt einem Freifahrtschein für Raser und Drängler gleich«, kritisierte gestern Bernd Fenske, Sprecher der Verkehrswacht Bielefeld. Es sei nicht nachvollziehbar, dass der Bund mit einer teuren Plakatkampagne an den Autobahnen Drängler zur Einsicht bringen wolle, wenn Gerichte die Täter laufen ließen. »Wenn Richter jetzt von Autofahrern auch noch den Nachweis darüber verlangen, über welche Strecke sie bedrängt worden sind, lachen sich die Raser doch ins Fäustchen«, befürchtet Fenske.

Artikel vom 17.11.2005