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Ein bußfertiges Bekenntnis:
»Wir haben Fehler gemacht«

Ute Vogt bei Wahl zur SPD-Vize abgestraft - Ute Berg wieder im Vorstand

Von Reinhard Brockmann
Karlsruhe (WB). Ute Vogt hatte es gleich geahnt. Schon am Montagmorgen nutzte die gastgebende baden-württembergische SPD-Landesvorsitzende ihr Grußwort vor dem Bundesparteitag zu einem bußfertigen Bekenntnis. »Wir haben Fehler gemacht!« Und vorwegnehmend fügte sie hinzu: »Ich bin froh, dass dem gemeinsamen Erschrecken jetzt das Handeln folgt.«

Alles Schönkleinreden nutzte nichts. Mit einem Drittel an Gegenstimmen und dem schlechtesten Ergebnis bei den Wahlen der fünf Vize-Vorsitzenden wurde Vogt abgestraft. Andrea Nahles, die gescheiterte Putschistin vom 31.Oktober, kam dagegen bei der Wahl zum erweiterten Parteivorstand besser davon als erwartet. Statt ihrer wurde dem designierten Umweltminister Sigmar Gabriel als Kopf der Netzwerker sein dunkles Haupt gewaschen. Er patzte im ersten Wahlgang. Ihm fehlten zwei Stimmen zur einfachen Mehrheit.
Das lange hinter den Kulissen zurückgehaltene Ergebnis des ersten Wahlgangs zum erweiterten Parteivorstand sorgte für erregte Debatten, als klar wurde, dass die 40prozentige Frauenquote die Chancen für Gabriel erheblich minderten. Der hatte verstanden, zog seine Kandidatur zurück und verwies darauf, dass er als künftiger Minister ohnehin Zugang zum Parteivorstand habe.
Große Erleichterung bei der Paderbornerin Ute Berg, die ihr Abstimmungsverhalten beim Putsch gegen Münteferings Kandidaten für das Generalsekretariat zwar nicht öffentlich gemacht hatte, aber dem Lager der Netzwerker angehört. Sie wurde mit 291 Stimmen auf Anhieb wieder in die Parteiführung gewählt, genau wie Niels Annen (323 Stimmen). Spontan nahm der ehemalige Juso-Chef Frau Berg, seine Nachbarin auf dem Präsidium, bei der mit Hochspannung erwarteten Bekanntgabe der Ergebnisse in den Arm und herzte sie. Die Erleichterung war auf beiden Seiten ganz offenbar gleich groß.
Mit dem Traumergebnis von 99,4 Prozent war Stunden zuvor Matthias Platzeck problemlos zum neuen SPD-Vorsitzenden gewählt worden. 512 von 515 Delegierten stimmten für den 51-jährigen brandenburgischen Ministerpräsidenten. Er tritt die Nachfolge von Franz Müntefering an, der das Amt 20 Monate lang innehatte. Der nach dem Vorstandskrach überraschend ins Willy Brandt Haus gerufene zeigte sich »auch ein bisschen gerührt«. Nach den Querelen solle die SPD zu dem sozialdemokratischen Grundwert der Solidarität zurückkehren und nach vorne blicken, sagte er unter mäßigem Beifall des Parteitages.
Als erster Parteivize erhielt der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck mit 92,2 Prozent Zustimmung das beste Ergebnis. Ihm war auch das Vorsitzendenamt angeboten worden. Unerwartet stark fiel das Ergebnis für Neuling Elke Ferner mit 83,3 Prozent aus. Sie hatte in Saarbrücken, den früheren Wahlkreis von Oska Lafontaine gewonnen. Der designierte Finanzminister Peer Steinbrück erhielt 82,1 Prozent und die Bonner Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann 79,9 Prozent. Ute Vogt hatte sich für ihre Spitzenkandidatur bei der Landtagswahl im März eine bessre Vorlage erwartet.
Leicht abgestraft wurde auch der Strippenzieher beim Vorstandsputsch. Der Wunsch-Generalsekretär des neuen Vorsitzenden und Sprecher des Netzwerks junger SPD-Abgeordneter, Hubertus Heil, erreichte nur 61 Prozent Zustimmung. Schatzmeisterin Inge Wettig-Danielmeier wollte ursprünglich nicht wieder kandidieren. Die Delegierten unterstützten ihr Bleiben mit 76,4 Prozent. Damit endete der Tag nicht so, wie von Vogt vorausgesagt: »Vielfalt in der Diskussion, Einheit in der Aktion«.

Artikel vom 16.11.2005