17.11.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Soundtrack einer »unabhängigen« Generation

»Phillip Boa« tritt zur Begeisterung der Fans wieder mit dem »Voodooclub« an


Bielefeld (Rga). Ein Ausnahmemusiker, der sich über zwei Dekaden hinweg konsequent zwischen alle Stühle gesetzt hat, scheint nun endgültig seinen Platz gefunden zu haben. Wenigstens künstlerisch wieder mit Muse »Pia Lund« vereint, hat der ehemalige Querdenker nur noch wenig Lust auf Krawalle, sondern gibt sich stattdessen gelassen bis gelangweilt. So auch in Bielefeld.
Um gleich zu Beginn mit einem Missverständnis aufzuräumen, das sich über zwanzig Jahre hinweg hartnäckig gehalten hat. Der ominöse »Voodooclub«, mit dem Phillip Boa all die Jahre auftrat und wieder auftritt, ist nicht etwa der Name der Band, sondern vielmehr das Pseudonym von »Pia Lund«. Man erinnere sich einfach mal daran, dass diese »Trademark« im selben Moment mit verschwand, in dem Frau Lund nach privaten Problemen mit ihrem damaligen Lebensgefährten Boa das Projekt verließ. Jetzt ist sie wieder da, und mit ihr demzufolge auch der »Voodooclub«.
»Nicht alle Querdenker sind Genies, aber alle Genies sind Querdenker«; so lautet die Implikation, die sich ach so vortrefflich auf Phillip Boa, den Menschen und Künstler, anwenden lässt. Schwermütige, holprige Songs sind und waren sein Markenzeichen, die dank der leichtfüßigen Simme Pia Lunds zu zeitlosen Ohrwürmern wurden. »Container love«, »This is Michael« oder »Starman« sind nur einige von vielen Independent-Hits, die zum Soundtrack einer ganzen Generation reiften.
Zunächst verhalten applaudierte die mittlerweile auf einen überschaubaren Kern zusammen geschrumpfte Fangemeinde einem nur zögerlich in Fahrt kommenden Phillip Boa zu. Selbst bei Kultstücken wie »Love on sale« musste der »Meister« mittels hektischer Gesten dafür sorgen, um wenigstens eine Traube emporgestreckter Hände für sich verbuchen zu können.
Ein deutlich lustlos agierender Boa ließ die Frage nach dem Zweck einer neuerlichen Tournee aufkommen. Er, der einst der Held einer Szene, der Independent-Kultur, sogar einer ganzen Generation war, unterstrich auf diese Weise im Lokschuppen, dass die Zeiten des ebenso ungestümen wie unberechenbaren Künstlers weit zurück liegen.
Immerhin weiß Phillip Boa, was er sich und seinen Fans auch heute noch schuldig ist. Neben der Vorstellung seines neuen Albums »Decadence & Isolation« fand der Indie-Veteran auch an diesem Abend Zeit und Raum für die sehnlichst erwarteten Stücke wie eben »Fine art in silver« oder »This is Michael«. »Rome in the rain«, eines der melancholischen Stücke aus der Zeit, in der er ohne seinen »Voodooclub« auskommen musste, passte jedoch deutlich besser zum ruhigen, kühlen Boa als die intensiven Stücke wie etwa »Atlantic claire«. Die treue Fangemeinde, die Herr Boa sich im Zuge zweier Dekaden erarbeitet hat, war insbesondere froh, die über einige Jahre schmerzlich vermisste Pia Lund wieder an der Seite des ehemaligen »Lords of Indie« sehen zu dürfen, und bedankte sich artig mit einem warmen Applaus.

Artikel vom 17.11.2005