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Willkommen, um zu bleiben

»Wir sind Helden« im ausverkauften Lokschuppen umjubelt

Bielefeld (Rga). »Judith Holofernes«; allein der Name ist ein Mythos, ist deren biblische Namensgeberin doch für ihre listenreiche Verführung bekannt, und für die Ermordung des gegnerischen Königs Holofernes. Aber keine Angst, die Sängerin der »Helden« ist zwar durchaus verführerisch, dabei aber stets liebenswert.

Nach einem elektrisierenden Rock-Auftakt des Sängers »Madsen«, der mit »Die Perfektion« und »Vielleicht« bereits zwei Independent-Hits landen konnte, war es endlich so weit, und »Wir sind Helden« bauten sich auf der Bühne zunächst hinter einem riesigen Vorhang auf. Als dieser nach einem kurzen Intro fiel, erwachte die Band um den Charmebolzen »Judith Holofernes« schlagartig zum Leben. Ein Lächeln für die Fans, einige Erinnerungen an den ersten Auftritt, der damals dank der enormen Nachfrage vom »Forum« ins legendäre »PC69« verschoben wurde, und los ging es!
Warum die deutsche Pop-Band mit dem »alternativen« Touch nach ihrem Überraschungserfolg vor knapp zwei Jahren sich immer mehr zu der erfolgreichsten Band mit weiblicher Frontfrau entwickelt, stellte »Wir sind Helden« an diesem Abend im Bielefelder Ringlokschuppen unter Beweis. Mit unverschämt leichtfüßigen Pop-Nummern wie »Gekommen, um zu bleiben«, »Denkmal«, oder auch dem Ratgeber für den französischen Pechvogel »Aurelie« in Sachen Männerfang, hatte die vierköpfige Deutsch-Rock-Band den restlos ausverkauften Ringlokschuppen von Beginn an auf ihrer Seite. Auch der Anspruch kam bei den »Helden« im Unterschied zu manch anderer hiesigen Kapelle nicht zu kurz. »Die Reklamation«, eine naiv-flippige Kritik an die Konsumgesellschaft, oder jenes Lied, das sich dem »Echolot« als romantisierende Metapher bedient, belegen den gelungenen Spagat zwischen Niveau und Leichtigkeit.
Ein paar Farbtupfer aus den mittlerweile zur Kunstform erhobenen 80ern, und fertig ist eine Band, die heute noch gefeiert und morgen schon legendär sein wird. Man muss mit Superlativen vorsichtig sein - mit Ausnahme von »Wir sind Helden«. Obwohl der Bandname nur mit feinster Ironie erklärbar ist, ist er mittlerweile dennoch programmatisch.
Die Menge, die während des gut zweistündigen Konzertes wie eine geschlossene Einheit zu den gefälligen Pop-Rock-Nummern die Arme schwenkte, stellte eindrucksvoll unter Beweis, dass »Wir sind Helden« zwar Musik für die Massen machen, aber eben keine Massenmusik Derartige Aussagen haben Sie schon mal irgendwo gehört? Keine Frage, aber lange Zeit traf dies nicht mehr so zu wie hier! Die »Helden« sind nach eigenen Aussagen »gekommen, um zu bleiben.« Auf den Konzertabend in Bielefeld war diese positive Drohung leider jedoch nicht anwendbar. Denn dieser musste nun einmal zu Ende gehen.

Artikel vom 16.11.2005