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Mutter und Kind wohlbehütet

Verein »Frauenmantel« steht Schwangeren mit Rat und Tat zur Seite

Von Sabine Schulze
Bielefeld (sas). Kinderkriegen - das Natürlichste von der Welt. Und doch mit vielen Unsicherheiten behaftet - vor der Geburt und vor allem auch danach. Trinkt mein Kind genug? Schläft es genug? Wiegt es genug? Ist es wohl schlimm, wenn die Nase verstopft ist? Und was kann man tun, wenn das Baby schon den zweiten Tag nicht die Windel füllt? In solchen Fällen können die Mütter vom »Frauenmantel« Rat geben. Und wenn nötig, stehen sie auch mit tatkräftiger Hilfe parat.

»Frauenmantel« ist ein erst im Mai gegründeter Verein, dem 50 junge Mütter angehören. Gegründet wurde er von den beiden Vorsitzenden Ingeborg Sommer und Ronja Schwarck; letztere absolvierte während ihrer Schwangerschaft bei Ingeborg Sommer einen Yoga-Kurs für werdende Mütter (mittlerweile erteilt sie selbst diese Kurse), und gemeinsam kamen die beiden auf die Idee, eine Art Netzwerk für junge Mütter ins Leben zu rufen.
Was erst ein lockerer Zusammenschluss war, ist heute ein Verein mit doppeldeutigem Namen: Er will den Frauen Hilfe und Geborgenheit vermitteln und spielt zugleich auf die Staude Alchemilla mollis - nämlich Frauenmantel - an: eine Pflanze, die blutungsstillend ist, die Rückbildung der Gebärmutter fördert und bei Wechseljahrbeschwerden hilft. Seit Anfang Oktober ist eine Erdgeschosswohnung in der Meller Straße 28 das Domizil des Vereins, in einem Haus der BGW, die das Projekt unterstützen wollte und den Verein als Mieter begrüßte.
Für Ingeborg Sommer war die Triebfeder ihres Engagements, Frauen während und nach der Schwangerschaft zu begleiten. »Viele sind wirklich sehr unsicher. Sie haben selten jüngere Geschwister, die sie noch mitbetreut haben. Sie haben zuweilen keine Familie in der Nähe, und sie sind Spätgebärende, die Unmengen an Büchern gelesen haben und informiert sind - aber keinen Deut sicherer.«
Ronja Schwarck, vor ihrer Mutterschaft als Werbekauffrau tätig, hatte ein anderes Ziel vor Augen, auch wenn sie heute mit einem Stoßseufzer sagt: »Hätte ich doch vorher schon gewusst, was ich heute weiß.« Sie suchte aber vor allem einen Platz, an dem sie sich mit anderen treffen könnte, einen Platz, der nicht verqualmt war und wo es nicht störte (und ihr selbst keinen Stress machte), wenn ihr Kind einmal schrie. Und so gehört zum »Frauenmantel« heute ein Café.
Es ist montags und dienstags von 12.30 bis 17 Uhr und mittwochs von 10 bis 13 Uhr geöffnet. Brötchen und Belag für das Frühstück kauft der Verein, ein Kuchen wird regelmäßig von einer der Mütter gespendet. »Die Frauen kommen schon während der Schwangerschaft, um sich Rat zu holen, oder später, um sich über schlechte Nächte oder den durchaus schon mal stressigen Alltag mit Kleinkindern auszutauschen«, erzählt Ronja Schwarck. Den meisten tut es gut zu wissen, dass sie nicht alleine stehen, der einen oder anderen, die »auf dem Zahnfleisch geht« wird ihr Nachwuchs zum Durchatmen auch schon mal von einer anderen Mutter abgenommen. Und wer in Ruhe zum Friseur gehen möchte, darf Klein-Anna oder Robin hier jederzeit ohne schlechtes Gewissen »abladen«.
Darüber hinaus aber beschäftigt der »Frauenmantel« fünf Schwangerschafts- und Wochenbettbegleiterinnen: Speziell ausgebildete Frauen - wie Ingeborg Sommer und Jutta Tischmann -, die Schwangeren und Wöchnerinnen auch daheim zur Hand gehen, die spontan einspringen können, wenn einer Schwangeren Bettruhe verordnet wird oder eine Wöchnerin Hilfe benötigt. Sie kaufen ein, kochen und versorgen die Kinder, sie machen Entspannungs- und Atemübungen mit den jungen Müttern und begleiten den Heilungs- und Rückbildungsprozess. »Die Kosten für diese Hilfe werden nur zum Teil von den Krankenkassen übernommen, den Rest müssen die Familien privat tragen«, erklärt Ingeborg Sommer, die aber hofft, dass sich das irgendwann ändert.
Ansonsten funktioniert der »Frauenmantel« nach dem Prinzip der gegenseitigen Hilfe. So wurden die Möbel für das kleine Büro, für den Kinderkrabbelraum, das Café und die Küche von den Frauen beigesteuert, von der Biergartengarnitur (die im Sommer in den Innenhof kommt) bis zu Kühlschrank und Herd. Wünsche aber gibt es noch: nach einem neuen Teppichboden, nach Möbeln und Spielzeug. »Vielleicht hat ja jemand etwas für uns übrig . . .«, hoffen die Frauen.

Artikel vom 26.11.2005