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Schreibend zum Glück

Sandra Niermeyer erneut mit Literaturpreis geehrt

Von Uta Jostwerner und
Carsten Borgmeier (Foto)
Bielefeld (WB). Glück muss man haben, sagt der Volksmund, wenn's Fortuna gut mit jemandem gemeint hat. Indes, Glück allein macht Sandra Niermeyer nicht erneut zur Preisträgerin.

Heute erhält die Bielefelder Hobby-Autorin in Münster den mit 3000 Euro dotierten Literaturpreis, den die Gesellschaft zur Förderung der Westfälischen Kulturarbeit und die Lotteriegesellschaft Westlotto anlässlich ihres 50-jährigen Jubiläums ausgeschrieben hatten. Thema: »Glück«, was sonst.
Mit zwölf wollte sie Schriftstellerin werden, doch erst mit 29 brachte die gebürtig aus Melle stammende Verwaltungsangestellte ihre ersten Zeilen zu Papier. Das war 2001. Seither hat sie ihre Kurzgeschichten, Prosagedichte und sogar den Anfang eines 150 Seiten starken Romans nicht nur in zahlreichen Anthologien und Literaturzeitschriften veröffentlicht, sondern auch einen Literaturpreis nach dem anderen abgeräumt (siehe Infokasten). Vor zwei Jahren hängte sie ihren Job bei der Telecom an den Nagel, um sich ganz dem Schreiben widmen zu können. Die Preisgelder und Honorare, die Sandra Niermeyer sammelt wie andere Briefmarken oder Streichholzschachteln, machen's möglich, dass sich die 33-Jährige ganz auf die Schriftstellerei konzentrieren kann. Doch ganz so einfach ist die Sache dann doch nicht.
»Ich recherchiere viel im Internet und halte nach Ausschreibungen Ausschau. Daneben biete ich meine Geschichten diversen Zeitschriften an. Das erfordert viel Zeit und Aufwand«, erzählt sie, die es im übrigen mit Max Frisch hält, der einmal gesagt haben soll: »Erfolg ist eine Frage des Portos.«
Sandra Niermeyers Selbstmanagement zahlt sich aus, auch wenn sie gern mehr Zeit zum Schreiben zur Verfügung hätte.
»Rebecca«, so der Titel ihrer Kurzgeschichte, mit der sie den ersten Preis des »Glücksausschreibens« gewann, entstand im April diesen Jahres während ihres 30-tägigen Aufenthalts als Stadtschreiberin in Soltau. Das Arbeitsstipendium der Stadt ermöglichte ihr, rund um die Uhr zu arbeiten. Denn: »Lust zum Schreiben habe ich immer«, sagt die junge Autorin, deren Themen häufig um Einsamkeit und das Scheitern von Kommunikation und Beziehungen kreisen.
Ihre Heldin Rebecca, 18 Jahre jung und nach einem Unfall unfähig, die Beine zu bewegen, begreift ihr Schicksal als Chance und schafft es, das Unglück in Glück zu kehren. Die Geschichte erscheint anlässlich der Preisverleihung in der Sammlung »Worauf wir aus sind. Neue Texte zum Glück«, in der auch die anderen Geschichten der neun Autoren abgedruckt sind., die mit einem Preisgeld bedacht wurden. Insgesamt hatten sich mehr als 300 Teilnehmer beworben.
Erklärtes Ziel von Sandra Niermeyer ist es jetzt, eine Sammlung mit eigenen Kurzgeschichten herauszugeben und ihren Roman »Die Abweisung« noch einmal zu überarbeiten. In jedem Fall aber darf man die weitere Entwicklung dieser Senkrechtstarterin am Literaturhimmel mit Spannung verfolgen.

Artikel vom 17.11.2005