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Forderte die Sozialdemokraten zur Geschlossenheit auf: Matthias Platzeck.

SPD sucht den Neuanfang

Matthias Platzeck nahezu einstimmig zum Parteichef gewählt

Karlsruhe (dpa). Mit einem der besten Wahlergebnisse in der Parteigeschichte führt der neue SPD-Chef Matthias Platzeck die Sozialdemokraten in die Regierungszeit mit der Union. Der 51-Jährige erhielt gestern beim Parteitag in Karlsruhe 512 von 515 gültigen Stimmen - das sind 99,4 Prozent.

Platzeck hatte seine Partei zuvor aufgefordert, einen »dicken Strich« unter die Personal-Turbulenzen um den Rückzug von Parteichef Franz Müntefering zu ziehen. Die SPD solle ein »Signal« geben, dass sich solche Fehler nicht wiederholten.
Die Delegierten bestätigten sämtliche Personalvorschläge Platzecks für die engere Parteiführung. Der neue Generalsekretär Hubertus Heil erhielt mit 61,7 Prozent das schlechteste Ergebnis.
Bei der Wahl Platzecks gab es nur zwei Nein-Stimmen und eine Enthaltung. Ein besseres Ergebnis hatte nur Kurt Schumacher 1947 und 1948 bekommen. Der mit 92,2 Prozent bestätigte Kurt Beck soll als erster Stellvertreter eine herausgehobene Rolle wahrnehmen. Bei seiner ersten Wahl vor zwei Jahren hatte der rheinland-pfälzische Ministerpräsident 82,6 Prozent erhalten.
Platzeck forderte seine Partei auf, wieder geschlossen nach vorn zu blicken. »Es nutzt nichts, darum herum zu reden: In unserer Partei sind in den vergangenen Wochen Fehler gemacht worden.« Doch die SPD sei stets »mehr als die Summe ihrer Flügel und Fraktionen, ihrer Arbeitsgemeinschaften und Gliederungen«.
Der neue Vorsitzende forderte seine Partei zur Zuversicht und zum Zupacken auf. »Nur eine debattierende Partei ist und bleibt eine lebendige Partei.« Platzeck bekannte sich klar zur großen Koalition. Die Sorge mancher in der Partei, die SPD könne dabei »Identität und Profil verlieren«, teile er nicht.
Scharf griff Platzeck die Linkspartei mit ihrem Spitzenpolitiker, dem früheren SPD-Vorsitzenden Oskar Lafontaine, an. Sie sei »populistisch, rückwärts gewandt und vorgestrig - nur links, das ist sie sicher nicht«, rief Platzeck unter dem Beifall der Delegierten.
Bei den Stellvertreterwahlen erhielt Ute Vogt mit 67,3 Prozent den einzigen Denkzettel. Vor zwei Jahren bekam die baden-württembergische Landeschefin noch 70,5 Prozent. Vogt ist im März Spitzenkandidatin der SPD bei der Landtagswahl. Auch sie war im Zusammenhang mit dem Müntefering-Rückzug heftig kritisiert worden. Neu als Vize-Vorsitzende ziehen die Bonner Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann (79,9 Prozent), der designierte Finanzminister Peer Steinbrück (82,1 Prozent) sowie die saarländische SPD-Politikerin Elke Ferner (83,3 Prozent) in die engere SPD-Führung ein.
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Artikel vom 16.11.2005