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»Wir werden nicht weichen«

Internationale Schutztruppe in Kabul gedenkt des getöteten Soldaten

Kabul (dpa). Mit einer Trauerfeier und einem klaren Bekenntnis zum Afghanistan-Einsatz haben gestern 1600 Soldaten der Internationalen Schutztruppe ISAF Abschied von ihrem am Vortag getöteten deutschen Kameraden genommen. Generalbundesanwalt Kay Nehm hat Ermittlungen wegen des Selbstmordanschlags in Kabul eingeleitet.
1600 Soldaten der Internationalen Schutztruppe ISAF haben gestern in Kabul Abschied von dem getöteten Bundeswehr-Soldaten genommen. Politiker von Union und SPD machten in Berlin deutlich, dass die Bundeswehr auch nach den neuen Anschlägen ihren Einsatz in Afghanistan fortsetzen wird.
Bei der Trauerfeier in Kabul wurde ein Porträt des getöteten Soldaten aufgestellt. Fotos: Reuters
Das Ermittlungsverfahren richte sich gegen eine ausländische terroristische Vereinigung, sagte Nehms Sprecherin gestern in Karlsruhe.
»Wir werden den Attentätern, Mördern und Hasspredigern nicht weichen«, sagte der Kommandeur des deutschen ISAF-Einsatzkontingents, Brigadegeneral Hans-Christoph Ammon, bei der Zeremonie in Kabul. »Wir bieten den hasserfüllten Eiferern trotzig die Stirn und lassen sie wissen: Jetzt erst recht.« Bei zwei Selbstmordanschlägen in Kabul waren am Montag ein deutscher Soldat und mindestens fünf weitere Menschen ums Leben gekommen.
Zu beiden Selbstmordanschlägen hatten sich die radikalislamischen Taliban bekannt. Bei dem Anschlag auf ein Bundeswehrfahrzeug waren auch ein deutscher Soldat schwer und ein weiterer leicht verletzt worden.
Ein Lazarett-Airbus der Luftwaffe mit den beiden verletzten Feldjägern an Bord startete gestern Nachmittag vom Bundeswehr-Stützpunkt im usbekischen Termes. Das Flugzeug landete gestern Abend auf dem Militärflughafen Köln-Wahn. Das Einsatzführungskommando in Potsdam wollte sich nicht dazu äußern, in welches Hospital die Soldaten eingeliefert werden sollten. In der Nähe liegt jedoch das Bundeswehrkrankenhaus Koblenz.
Von Kabul aus waren die verletzten Soldaten mit einer für medizinische Notfälle umgebauten Transall nach Termes geflogen worden. Der Leichnam des getöteten Soldaten soll heute Abend mit militärischen Ehren auf dem Flughafen Köln/Wahn empfangen werden. An der Zeremonie nehmen Verteidigungsminister Peter Struck und Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan teil. Alle drei Soldaten gehören zu Truppenteilen aus Bayern.
General Ammon betonte bei der Trauerfeier in der afghanischen Hauptstadt: »Die ISAF steht für Hoffnung und Zuversicht für dieses geschundene Land. Lassen Sie uns das erzwungene Opfer als Aufgabe und Verpflichtung für jeden einzelnen von uns ansehen und unsere Anstrengungen noch weiter erhöhen.«
Der Kommandeur der ISAF, der italienische General Mauro Del Vecchio, sagte: »Einem gestorbenen Kameraden die letzte Ehre zu erweisen ist eine furchtbar traurige Handlung.« Im Namen der NATO und aller ISAF-Staaten sprach Del Vecchio den deutschen Soldaten sein »tiefstes Mitgefühl« aus.
Die Anschläge waren international scharf verurteilt worden. UN-Generalsekretär Kofi Annan zeigte sich »tief besorgt über die zunehmende Gewalt in Afghanistan«. Annan sprach der Bundesregierung und der Regierung von Afghanistan sein Beileid aus. An die afghanische Regierung und die internationalen Truppen im Land appellierte er, alles zu tun, um die Sicherheitslage zu verbessern.
Auch der afghanische Präsident Hamid Karsai verurteilte die Anschlagserie in Kabul. »Die Angriffe der Feinde Afghanistans sind gegen den Islam gerichtet und zeigen, dass der Mord an Muslimen das Hauptziel der Terroristen ist.«
Nach dem Anschlag am Montag hatte der Fraktionsvorsitzende der Linkspartei, Oskar Lafontaine gefordert, der Einsatz müsse überdacht werden. Er vergrößere auch die Gefahr eines Anschlags in Deutschland. Der Grünen-Verteidigungsexperte Nachtwei wies diese Forderung gestern scharf zurück. Lafontaine werfe den Stabilisierungseinsatz der ISAF in Afghanistan mit dem von den USA ausgerufenen Krieg gegen den Terror im Irak durcheinander.
Auch der frühere ISAF-Oberbefehlshaber Norbert van Heyst wies Abzugsforderungen zurück. Absolute Sicherheit könne es nicht geben: »Sie können Selbstmordanschläge nicht ausschließen.«

Artikel vom 16.11.2005