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FC Bayern macht ernst
und Ballack taucht ab

Millionen-Angebot für Mittelfeldstar gilt nicht mehr

München (dpa). Nach dem überraschenden Machtwort des FC Bayern München im Millionen-Poker mit Michael Ballack ist der Kapitän der deutschen Nationalmannschaft auf Tauchstation gegangen.
Der 29 Jahre alte Mittelfeldstar mochte den spektakulären Rückzug des mit über 30 Millionen Euro dotierten Vierjahresvertrages durch den deutschen Rekordmeister nicht kommentieren. Die Bayern haben die Fahndung nach einem Nachfolger aufgenommen.
Ballack verließ das Trainingsgelände des FC Bayern nach einer intensiven Behandlung seiner Oberschenkel-Zerrung mit einem undurchsichtigen Lächeln. Während er sich erst im Laufe der Woche zu der veränderten Situation bei der Planung seiner Zukunft nach der WM 2006 äußern möchte, verbreitete Trainer Felix Magath nach einem Vier-Augen-Gespräch mit Ballack Gelassenheit und Zuversicht. »Es ist nicht gesagt, dass es zu einer Trennung kommt. Es ist jederzeit so, dass die Parteien wieder zusammen kommen können und neue Gespräche führen.«
Die Ausgangsposition hat sich freilich stark verändert, nachdem der Bayern-Vorstand Ballacks Hinhalte-Taktik durchkreuzt hat. Auf der Jahreshauptversammlung, bei der sich Vereinsführung und 1349 anwesende Mitglieder an den traumhaften Wirtschaftsdaten und dem sportlichen Erfolg berauschten, hatte der Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge für den Paukenschlag gesorgt.
Der von seinem Berater Michael Becker begleitete Ballack sollte sich zuvor bei einem Treffen mit Rummenigge und Manager Uli Hoeneß erklären, ob er seinen am Saisonende auslaufenden Vertrag verlängert oder nicht. Die verabredete klare Antwort blieb jedoch aus. »Er hat momentan noch keine Entscheidung getroffen«, verkündete Rummenigge den Mitgliedern - und die reagierten mit Pfiffen.
Ballack wollte offenbar eine erneute Fristverlängerung bis Januar erzielen, doch da spielten Rummenigge und Hoeneß nicht mehr mit. »Wir ziehen unser Angebot, das ein sehr gutes und gesichertes war, zurück«, erklärte der Bayern-Chef - und dieses Mal gab es lang anhaltenden Beifall.
Der Klub konnte und wollte nicht länger zuschauen, wie Ballack auf ein besseres Angebot von Real Madrid, AC Mailand, Juventus Turin oder Manchester United wartet. Dass laut FIFA-Statuten erst vom 1. Januar an verhandelt werden darf, hält Bayern offenbar nicht davon ab, Ausschau zu halten. »Wir sondieren jetzt den Markt. Damit kann man nicht bis März oder April warten«, sagte Präsident Franz Beckenbauer.
Doch wer könnte Ballacks Nachfolge antreten? Die Spekulationen reichen von Marcelinho (Hertha), Rafael van der Vaart (HSV) und Tim Borowski (Bremen) bis hin zum Portugiesen Deco (Barcelona) oder dem Kroaten Niko Kranjcar (Hajduk Split). Trainer Magath hält auch eine interne Lösung mit Ali Karimi, Mehmet Scholl oder Sebastian Deisler für denkbar. »Wir können das mit unserem Kader auffangen.«
Geld genug haben die Bayern. 6,6 Millionen Euro Gewinn, ein Rekordumsatz von 189,5 Millionen und ein Eigenkapital von 157,1 Millionen Euro brachten Beckenbauer ins Schwärmen. »Sportlichen Erfolg können auch andere. Aber verbunden mit wirtschaftlichem Erfolg - das ist einmalig.«

Artikel vom 16.11.2005