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Gemälde müssen
sich »anpassen«

Kirchner-Bilder in der Klimakiste

Von Burgit Hörttrich
Bielefeld (WB). Auch Bilder müssen sich an ihre Umgebung gewöhnen. Zurzeit kommen in der Bielefelder Kunsthalle aus Privatsammlungen und Museen 110 Gemälde, Zeichnungen und druckgraphische Werke vor allem von Ernst Ludwig Kirchner, aber auch von anderen »Brücke«-Malern an - in Klimakisten.

24 Stunden passen sich die Werke an, dann werden sie sorgfältig ausgepackt und von Restauratorin Bärbel Otterbeck buchstäblich unter die Lupe genommen. Sie untersucht den Zustand der Werke und protokolliert ihn minutiös für die Versicherung. Am Sonntag, 20. November, 11.30 Uhr, wird in der Kunsthalle die Ausstellung »Ernst Ludwig Kirchner und die 'Brücke' - Selbstbildnisse - Künstlerbildnisse« eröffnet. Sie dauert bis zum 26. Februar 2006. Anlass für die Ausstellung ist das 100-jährige Gründungsjubiläum der Künstlergemeinschaft »Brücke«. Ins Leben gerufen wurde sie von Ernst Ludwig Kirchner, Fritz Bleyl, Erich Heckel und Karl-Schmidt-Rottluff. Bis zur Auflösung der Gruppe im Jahr 1913 wurde die »Brücke« zum Inbegriff des deutschen Expressionismus.
Obwohl es in diesem Jahr in Europa gleich mehrere bedeutende Ausstellungen gegeben habe, die sich der »Brücke« gewidmet haben, ist Kuratorin Dr. Jutta Hülsewig-Johnen überzeugt, durch die Schwerpunktsetzung auf Leben und Werk von Kirchner neue Akzente zu setzen. Der Blick der Künstler auf sich selbst und die Auseinandersetzung mit den Freunden wird speziell beleuchtet. Jutta Hülsewig-Johnen lässt die Werke - neben Arbeiten von Kirchner sind Bilder von Pechstein, Nolde, und Schmidt-Rottluff zu sehen - an Wände hängen, die in einem starken Ockerorange gestrichen wurden. Die Kuratorin: »Dieser Farbton kommt in sehr vielen Bildern Kirchners vor - manchmal nur hingetupft, dann wieder als wichtige Begleitfarbe oder als Hautton.«
In der Ausstellung zu sehen ist auch ein Bild von Kirchner, dass ihn selbst mit den anderen Malern der »Brücke« zeigt. Jutta Hülsewig-Johnen: »Das Bild stammt aus dem Jahr 1925/26. Damals gab es die Künstlergruppe gar nicht mehr - für Kirchner war es eine Abrechnung, schließlich war sein Verhältnis zu den anderen Künstlern mehr als getrübt.« Kirchners Bilder zeigen aber nicht nur die Entfremdung zu den anderen Malern, sondern auch die Verbundenheit in den Gründungsjahren - in den künstlerischen Zielen und den persönlichen Beziehungen.
Zur Ausstellung gibt es ein Begleitprogramm für Erwachsene und für Kinder.

Artikel vom 16.11.2005