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Kollege belästigt Frau:
DGB glaubt Opfer nicht

Arbeiter klagt gegen seine fristlose Entlassung

Von Christian Althoff
Bielefeld (WB). Nach der sexuellen Belästigung einer Mitarbeiterin hat ein Bielefelder Unternehmen den geständigen Täter fristlos entlassen. Jetzt kämpft der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) vor dem Arbeitsgericht dafür, dass der Mann seinen Job behalten darf.

Petra K. (35) arbeitet als Monteurin im Bielefelder Unternehmen Umeta, einem metallverarbeitenden Betrieb für Abschmiertechnik. Freitags bleibt sie etwas länger, um sich als Reinigungskraft ein paar Euro dazuzuverdienen. »Ich putzte gerade das Gäste-WC, als mein Kollege plötzlich die Tür aufstieß. Seine Hose war geöffnet und er versuchte, mir den Weg zu versperren.« Sie habe sich an ihm vorbeigedrängt und ins Damen-WC geflüchtet: »Ich dachte, da wagt er sich nicht hinein.« Doch er sei ihr gefolgt, habe sie in eine Ecke gedrängt und an den Schultern gepackt. »Ich hatte Angst, denn er ist etwa 1,90 Meter groß und sehr kräftig«, erzählt die Monteurin. Sie habe auf den Mann eingeredet und ihm von ihrem Freund erzählt, um ihn loszuwerden - vergeblich. Er habe schließlich versucht, sie auf den Mund zu küssen, habe aber nur ihre Wange getroffen, weil sie sich wegdrehen konnte. »Ich habe mich dann losgerissen und bin zu einem Kollegen gelaufen, dem ich alles erzählt habe«, sagt Petra K.
Als Umeta-Geschäftsführer Frank Maser (41) nach dem Wochenende von dem Vorfall erfuhr, ließ er den aus Osteuropa stammenden Arbeiter zu sich ins Büro kommen und bat den Produktionsleiter als Zeugen dazu. »Der Mann hat die Sache sofort zugegeben. Er sagte, dass er von seiner Ehefrau getrennt lebe und mal wieder eine Frau brauche. Er habe sich für Petra entschieden und sie mit Küssen von ihrer ablehnenden Haltung abbringen wollen.« Frank Maser entschied sich, dem Mann trotz seiner Betriebszugehörigkeit von 16 Jahren fristlos zu kündigen: »Mir blieb aus Fürsorge der übrigen Belegschaft gegenüber doch gar nichts anderes übrig. Von unseren 95 Mitarbeitern sind nahezu die Hälfte Frauen. Sollte ich verantworten, dass die nur noch mit Angst zur Arbeit kommen?«
Petra K. hatte sich nach dem Vorfall für vier Tage krank schreiben lassen - wegen Angstzuständen. »Ich sah immer wieder diesen riesigen Mann mit seinen gewaltigen Händen vor mir und wollte ihm nicht noch einmal begegnen.« Das muss sie jedoch, wenn das Arbeitsgericht den Fall in einigen Wochen verhandelt - denn der entlassene Arbeiter klagt mit Unterstützung des DGB gegen seine fristlose Kündigung.
Rechtsanwalt Michael Fischer (42), der das Unternehmen Umeta vertritt: »Wir hätten uns den Prozess durch Zahlung einer Abfindung ersparen können, aber damit hätten wir das verwerfliche Verhalten des Mannes auch noch belohnt.« Fischer nannte es unglaublich, dass der Gewerkschaftsbund in seiner Klageschrift die Glaubwürdigkeit des Opfers in Frage stellt. So heißt es im Schreiben der DGB Rechtsschutz-GmbH Bielefeld, die Frau habe Dinge dargestellt, »die tatsächlich nicht passiert sind.« Der Kläger habe der Frau lediglich einen Kuss gegeben und sei »von ihrem Einverständnis« ausgegangen.
»Mich der Lüge zu bezichtigen ist ein starkes Stück«, sagt Petra K. »Aber vielleicht springt der DGB ja auch nur deshalb so mit mir um, weil ich kein Gewerkschaftsmitglied bin. . ..«

Artikel vom 16.11.2005