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Aus RacheGiftins Trinkwasser?

Landwirt soll Fässer mit Pflanzenschutzmittel im Bodensee versenkt haben

Friedrichshafen (dpa). Bei einem Giftanschlag auf eines der größten deutschen Trinkwasserreservoirs hat ein Unbekannter Pflanzenschutzmittel im Bodensee versenkt und Millionen Menschen in Angst und Schrecken versetzt.
Mehr als vier Millionen Menschen erhalten ihre Trinkwasser aus dem Bodensee. In den Aufbereitungsanlagen (oben rechts im Bild) wird die Qualität ständig überprüft (kleines Foto).
Die Polizei verfolgte gestern zwar mit einer Durchsuchung auf einem Bauernhof eine heiße Spur, eine Festnahme gab es aber nicht. Die Bodensee-Trinkwasserversorgung (BWV), die in Baden-Württemberg etwa vier Millionen Menschen beliefert, gab umgehend Entwarnung: Eine Gesundheitsgefahr für die Verbraucher habe nicht bestanden. »Das Wasser war jederzeit einwandfrei«, betonte BWV-Geschäftsführer Hans Mehlhorn in Friedrichshafen.
An der Wasserentnahmestelle im westlichen Bodensee bei Sipplingen waren nach Eingang eines Bekennerschreibens zwei Fünf-Liter-Plastikkanister mit giftigen Pflanzenschutzmitteln gefunden worden. Aus dem am 18. Oktober bei der BWV eingegangenen anonymen Brief sei zu entnehmen, »dass es sich bei dem Autor um einen Menschen handelt, der mit sich und seiner Umwelt nicht klar kommt«, sagte der Leiter der Konstanzer Staatsanwaltschaft.
Die Polizei durchsuchte bei den Ermittlungen den Hof eines Bauern im Raum Ravensburg. Ob der Verdächtige jedoch tatsächlich den Anschlag verübt hat oder damit im Zusammenhang steht, war bis zum Abend unklar. »Die Auswertung der Durchsuchungsergebnisse dauert an«, sagte ein Polizeisprecher. Der Bauer, der den Hof betreibt, soll bereits in der Vergangenheit bei Behörden damit gedroht haben, Erdreich oder Wasser zu vergiften.
Staatsanwaltschaft und Polizei erklärten, der Unbekannte habe die Tat möglicherweise als Racheakt gegen die Justiz begangen. Er habe sich ungerecht behandelt gefühlt.
Mehlhorn betonte, dass die im Wasser gefundenen Substanzen, beispielsweise Atrazin, die Grenzwerte »auch nicht annähernd erreicht« hätten. Beim Atrazin betrage der Grenzwert 0,1 Mikrogramm pro Liter, für die Summe aller Pestizide 0,5 Mikrogramm je Liter. »Die Gesundheit könnte nur dann Schaden nehmen, wenn ein Mensch am Tag 50 Kubikmeter Wasser mit Grenzwertkonzentration trinkt«, erläuterte Mehlhorn. Auch der Verzehr von Bodenseefisch sei jederzeit unbedenklich gewesen. Die BWV verfügt in ihrer Aufbereitungsanlage auf dem Sipplinger Berg auch über eine Fischtestanlage. Die Tiere hätten sofort Hinweise auf eine größere Kontamination gegeben.
Die Behälter, bei denen der Schraubverschluss fehlte, lagen in 60 Meter Tiefe nahe der Ansaugstation des Trinkwassers. Spezialtaucher hatten die Behälter am vergangenen Mittwoch geborgen.
Aus ermittlungstaktischen Gründen hatte die Polizei die Öffentlichkeit zunächst nicht über den Fall informiert. »Wir wollten die Bevölkerung nicht beunruhigen und erst den Täter überführen.« Ein solcher Anschlagversuch sei vorher gar nicht vorstellbar gewesen.

Artikel vom 15.11.2005