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Stoiber: »Vertrag ist gute
Grundlage für Neuanfang«

CSU-Chef wirbt nachdrücklich für Große Koalition

München (dpa). Der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber hat bei einem Kleinen Parteitag der CSU nachdrücklich für die große Koalition geworben und sich zugleich für seinen umstrittenen Rückzug aus Berlin entschuldigt.

»Es tut mir leid, dass ich mit meiner Entscheidung unsere Partei und Sie alle hier in eine nicht einfache, in eine schwierige Lage gebracht habe«, sagte Stoiber gestern vor den 200 Delegierten in München. »Ich leide selbst außerordentlich, ich leide wie ein Hund«. Der Parteitag votierte am Nachmittag einstimmig für den Koalitionsvertrag.
Stoiber sagte dem geplanten Bündnis von Union und SPD die volle Rückendeckung der CSU zu. »Ich will den Erfolg der großen Koalition mit Angela Merkel an der Spitze«, rief er unter großem Beifall. »Wir werden alles dazu tun, dass das eine Erfolgsgeschichte wird.« Trotz der notwendigen Kompromisse sei der Vertrag eine »gute Grundlage für einen Neuanfang in Deutschland«.
Nach der massiven Kritik an Stoibers Zickzackkurs zwischen Bayern und Berlin in der Landtags-CSU hielt sich der Unmut auf dem Parteitag in Grenzen. Der bayerische JU-Chef Manfred Weber entschuldigte sich ausdrücklich für angebliche Putsch-Äußerungen. »Ich habe nie zum Putsch aufgerufen.« Gleichwohl verlangte er eine »personelle und inhaltliche Erneuerung der CSU«. Der frühere Landshuter Kreischef Josef Seidl forderte Stoiber auf, künftig nicht nur auf »Staatskanzlisten« zu hören, sondern auch auf Berater, die dem CSU-Motto »Näher am Menschen« entsprächen. Stoiber sicherte zu, künftig stärker den Dialog zu pflegen.
Am Koalitionsvertrag moniert wurde vor allem, dass keine betrieblichen Bündnisse für Arbeit vereinbart wurden. Der designierte Wirtschaftsminister Michael Glos sagte: »Ich glaube, dass es ein Vertrag ist, an dem man viele Ecken und Kanten finden kann. Aber wenn man einen Stich drunter macht, dann ist er etwas, was uns nach vorne bringen kann.«
Nach Ansicht des künftigen Agrarministers Horst Seehofer sind die Vereinbarungen »auch unter sozialen Gesichtspunkten eine gute Grundlage«. Landtagspräsident Alois Glück erklärte: »Das Glas ist nicht halbleer. Ich sage, das Glas ist halbvoll.«
Stoiber wies vor allem die Kritik der Konzernchefs von VW, Mercedes und Porsche in ungewöhnlich scharfer Form zurück. »Diese Damen und Herren entlassen Tausende von Arbeitskräften, kippen sie der Politik vor die Tür und kritisieren uns dann noch.«

Artikel vom 15.11.2005