16.11.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Bis zum Mars tanzen

Roystoon Maldoom bringt Gütersloh in Bewegung

Von Dietmar Kemper
Gütersloh (WB). Royston Maldoom bringt Straßenkinder, Behinderte, Gefangene, Menschen in Kriegs- und Krisengebieten zum Tanzen. Wie der gefeierte englische Choreograph arbeitet, zeigt und erläutert er am Samstag in Gütersloh.
Der Choreograph Royston Maldoom studierte mit Schülern aus Marl in der Sporthalle das Stück »Per Elefant zum Mars« ein. Foto: dpa

In der Stadthalle führen 120 Kinder und Jugendliche aus Marl und Duisburg das Stück »Per Elefant zum Mars« auf, begleitet von den Musikern der Sinfonietta Hungarica. Im Gegensatz zu Äthiopien, wo Maldoom 1996 die »Carmina Burana« mit Straßenkindern einstudierte, stehen diesmal ganz normale Grundschüler und Gymnasiasten im Mittelpunkt. Das passt zur Philosophie des Meisters, wonach jeder, ob problembeladen oder nicht, sein Leben ändern kann, wenn er sich in eine Tanzformation einfügt.
»Maldoom zeigt, welche künstlerische Kraft in Jugendlichen steckt«, weiß Meinolf Jansing, Geschäftsführer des Kultursekretariates NRW in Gütersloh. Auf dessen Initiative geht das Festival »transit_Tanz-Theater für junges Publikum« zurück, das mit Maldoom den Anführer einer Bewegung präsentiert, die nicht mit der Tanzelite, sondern mit Tanzunerfahrenen arbeitet. »Breitenarbeit und ein gutes künstlerisches Ergebnis schließen sich nicht aus«, stellt Jansing fest.
Im Februar 2004 wurde in Berlin »Le Sacre du Printemps« von Igor Strawinsky mit den Berliner Philharmonikern aufgeführt, das Royston Maldoom mit 240 jungen Berlinern, Einwanderer- und Flüchtlingskindern einstudiert hatte. Der daraus entstandene Film »Rhythm is it!« geriet zum Überraschungserfolg und machte den Tänzer weltweit bekannt. Seine Schüler stammten aus 25 Nationen und allen Bildungs- und Gesellschaftsschichten. Innerhalb von nur sechs Wochen lernten sie sich zu konzentrieren und zu disziplinieren, eine Einheit zu bilden. Durch die Bewegung und den Kontakt zu klassischer Musik bekamen sie ein neues Verhältnis zu ihrem Körper, tankten auch optisch durch eine aufrechte Haltung Selbstbewusstsein. Maldoom setzt Musik und Tanz als Therapie ein.
Er spricht von »education project«, Tanz hat bei ihm erzieherischen Anspruch. Bewegung fördert die kognitiven Fähigkeiten: das Nachdenken, Ordnen, kreative Suchen als Basis des Lernens. »Der PISA-Test hat den musischen Bereich vernachlässigt«, sagt Meinolf Jansing und beklagt: »Dabei liegt auch hier vieles im Argen.« Warum das Bewegen zur Musik so wichtig ist, erzählt Maldoom Lehrern und Tänzern am Samstag zwischen 13.30 und 16.30 Uhr in einem längst ausgebuchten Workshop im Evangelisch Stiftischen Gymnasium. Eine Stunde später erläutert der Meister in der Stadthalle Gütersloh die Grundsätze seiner Arbeit, ehe dann um 19.30 Uhr seine Schüler aus dem Ruhrgebiet auftreten. Am Sonntag wurde das Stück im Tanzhaus NRW in Düsseldorf aufgeführt und vom Publikum gefeiert.

Artikel vom 16.11.2005