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Von meditativem und lebendigem Charakter

Vokalensemble meistert alle Schwierigkeiten


Bielefeld-Sennestadt (rs). »Chor- und Orgelmusik des 20. Jahrhunderts« lautete die schlichte Vorankündigung eines Konzerts in der Jesus-Christus-Kirche am Sonntag. Die Hinweise auf die Mitwirkenden, das Vokalensemble der Evangelischen Kantorei unter Leitung von Dorothea Schenk und Kirchenmusik-Direktor Martin Rieker, künstlerischer Leiter der Haller Bach-Tage an der Orgel, schraubten die Erwartungen im Vorfeld hoch.
Tatsächlich erlebten die Zuhörer ein anspruchsvolles Programm, das für das knapp 20-köpfige Vokalensemble eine echte Herausforderung war. Der leistungsfähigen Sängerschar war keine Hürde zu hoch. Sie meisterte mit Bravour auch harmonisch, satztechnisch und rhythmisch schwer erschließbare Chorsätze.
Die Programmfolge war dem Trauermonat November angemessen ausgewählt. Passend eingestimmt wurden die Zuhörer, die ein abgedunkeltes Kirchenschiff betraten, durch den meditativen Charakter der Missa choralis (de angelis) op. 43 von Johann Nepomuk David. Das 1956 entstandene Werk erklang im eindrucksvollen Wechsel von a-capella-Chor und Orgelimprovisationen. In diesem ganz persönlichen Bereich präsentierte sich Martin Rieker als Meister seines Instruments, der hochmusikalisch, fantasievoll und technisch brillant agierte. Er war auch der kongeniale Interpret der Partita »Freu dich sehr, o meine Seele« seines Wiener Orgellehrers Anton Heiller, deren choralgebundenen Sätze er zu lebendigen Charakterstücken machte. Ausgewählt hatte er außerdem vier Choralvorspiele des Österreichers Franz Schmidt, die wie romantische Ruhepunkte im aufregenden Programmablauf wirkten.
Als völlig unbekannter Komponistenname stand Aleksandar Vujic auf dem Programmzettel. Von ihm erklang ein höchst eindrucksvoll vertontes Vaterunser, dessen enge Tonschritte, dissonante Klangreibungen und extreme Lagen das Chorensemble vor fast unlösbare Aufgaben stellten. Hochachtung, wie es diese Schwierigkeitsgrade meisterte und zusätzlich unter die Haut gehende Ausdruckskraft einbrachte. Dagegen boten die Quatre Motets über ein gregorianisches Thema von Maurice Duruflé ein fast harmonisch »bequemes« Klangbild. Die abschließenden »Four Motets« des Amerikaners Aaron Copland, einem Schüler der legendären Nadia Boulanger in Paris und Nestor der US-amerikanischen Musik, ließen das Vokalensemble vom ersten Ton an nochmals zu Höchstform auflaufen. Es gab Riesenbeifall und eine Zugabe.

Artikel vom 15.11.2005