Von Michael Diekmann und Hans-Werner Büscher (Fotos) Bielefeld (WB). Werkstattbesuche bei Nikolaus Nadrag machen verregnete Novembertage zu etwas ganz besonderem. Wenn es draußen grau und ungemütlich ist, tauchen die Besucher an der Spindelstraße in eine faszinierende Welt. Was kein Antiquitätengeschäft bieten kann, vermittelt die Werkstatt mit Gartenblick durch Sprossenfenster und Einblick in gutes altes Handwerk. Nadrag, seit vielen Jahren an der Welle mit seinem Geschäft erfolgreich, nutzt einmal jährlich - nach gründlichem Auskehren - die Räume mit Hobelbank und Bandsäge, um ausgesuchte Schätze zu präsentieren. Schwerpunkt im Herbst 2005 waren Kästchen aus dem 18. und 19. Jahrhundert. Auch wenn man genügend Möbel hat, Platz für ein Kästchen ist immer, findet der Chef, der einen Teil der eigenen Sammlung zeigte, aber auch echte Raritäten: »Jedes dieser Kästchen kann eine Geschichte erzählen, ist durch mehrere Generationen weiter gereicht worden.« So wie jenes Kästchen, das 1790 im Kontor der Brauerei Kröger im Münsterland stand. Alte Federn und Stempel sind noch in den Laden untergebracht, erst vor zehn Jahren kam das seltene Stück aus Privatbesitz zu Nadrag. Für Kunden und Freunde von Nikolaus und Silke Nadrag ist der Besuch in der Werkstatt Teil eines ganz besonderen Sonntags. Am großen Tisch klönt man bei Kaffee und Wein, einem Streifen Käse oder Salami und lauscht den spannenden Geschichten des Hausherrn. Denn davon hat Nadrag mindestens genauso viele zu bieten wie von den seltenen Möbelstücken, die der gebürtige Steirer mit der besonderen Nase immer wieder aufspürt. Die meisten Stücke befinden sich im Patina-Zustand, müssen nicht aufgearbeitet werden, sondern erfreuen auch die nächste Generation noch in einem historischen Oberflächenzustand. Bestes Beispiel: Ein wunderschöner Braunschweiger Aufsatzsekretär aus Privatbesitz, in dem die Schubladen noch mit der Originalpapiertapete beklebt sind.
Drucken