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Gestationsdiabetes - häufigste Erkrankung bei Schwangeren

Zuckerbelastungstest bringt sofort sichere Diagnose bei Schwangerschaftsdiabetes

Der Schwangerschafts- oder Gestationsdiabetes ist eine spezielle Form der Zuckerkrankheit, die sich während einer Schwangerschaft entwickeln kann. Meistens tritt sie im letzten Schwangerschaftsdrittel auf und verschwindet unmittelbar nach der Geburt wieder.

Neun Prozent der Frauen, die während einer Schwangerschaft an dieser Form des Diabetes leiden, entwickeln in den folgenden Jahren einen Typ-2 Diabetes. Der Gestationsdiabetes betrifft meist Übergewichtige, Frauen, die älter als 30 Jahre sind sowie Frauen, in deren Familien bereits einmal ein Typ-2 oder sogar Gestationsdiabetes aufgetreten ist. Der Schwangerschaftsdiabetes zählt zu den häufigsten schwangerschaftsbegleitenden Erkrankungen. Er lässt sich bei etwa 13 Prozent aller Schwangeren im deutschsprachigen Raum nachweisen - aber nur zwei Prozent werden erkannt und behandelt.
Weshalb können Schwangere einen Gestationsdiabetes entwickeln? Schwangerschaftshormone und Hormone, die der Mutterkuchen (Plazenta) bildet, wirken unter anderem blutzuckererhöhend. Insulin ist dagegen das einzige blutzuckersenkende Hormon des Körpers. Die Schwangerschaft stört das Gleichgewicht zwischen blutzuckererhöhenden Hormonen und dem blutzuckersenkenden Hormon Insulin. Die Bauchspeicheldrüse der Schwangeren muss also immer größere Mengen an Insulin produzieren. Kann die Schwangere den erhöhten Bedarf an Insulin nicht durch eine verstärkte Insulinfreisetzung aus der Bauchspeicheldrüse ausgleichen, entwickelt sich der Gestationsdiabetes. Nach der Geburt nimmt der Insulinbedarf ab und der Schwangerschaftsdiabetes verschwindet wieder. 80 Prozent aller Frauen, die einen Gestationsdiabetes entwickeln, leiden während einer zweiten Schwangerschaft erneut daran. Diese Form der Zuckerkrankheit verläuft oft ohne Beschwerden. Sie wird deshalb meist erst durch Suchtests gefunden. Werden diese nicht durchgeführt, so wird die Erkrankung meist erst durch Folge-Erscheinungen auffällig (zum Beispiel starke Zunahme der Fruchtwassermenge, abnormales Größenwachstum des Kindes = fötale Makrosomie). Nur selten treten bei einer Schwangeren Symptome auf, wie sie bei einem Diabetes mellitus Typ 1 üblich sind.
Etwa ab dem letzten Schwangerschaftsdrittel steigt der Insulinbedarf stark an. Dies erklärt auch, warum der Gestationsdiabetes oft erst nach der 24 Schwangerschaftswoche erkannt wird. Er lässt sich durch die Bestimmung des aktuellen Blutzuckers oder durch einen Glukosetoleranztest feststellen.
Mediziner empfehlen heute, grundsätzlich bei jeder Schwangeren einmal zwischen der 24. und 28. Schwangerschaftswoche einen Zuckerbelastungstest durchzuführen. Bei Vorliegen von Risikofaktoren ist diese Untersuchung sogar zwingend erforderlich. Beim Zuckerbelastungstest unterscheidet man den einfachen Suchtest (Screening), bei dem eine Stunde nach Verabreichung von 50 Gramm Glukoselösung der Blutzuckerwert bestimmt wird. Liegt dieser über 140 mg/dl, so besteht der Verdacht auf Vorliegen eines Gestationsdiabetes.
Dieser vereinfachte Test kann problemlos bei der Frauenärztin oder dem Hausarzt durchgeführt werden. Die endgültige Klärung kann durch einen später anschließenden Zuckerbelastungstest erfolgen, bei dem nüchtern sowie eine und zwei Stunden nach Verabreichung von 75 Gramm Glukose der Blutzuckerwert bestimmt wird. Bei grenzwertigen Untersuchungsergebnissen sollte der Zuckerbelastungstest nach drei bis vier Wochen wiederholt werden.
Der Gestationsdiabetes kann für Mutter und Kind gefährlich sein. Bei der Geburt wiegen die Säuglinge oftmals mehr als 4000 Gramm. Auf Grund der großen Gewichtszunahme kann es zu Problemen während der Geburt kommen, die auch für das Kind belastend sind. Häufig wird ein Kaiserschnitt durchgeführt. Auch die Ausreifung des ungeborenen Kindes kann verzögert ablaufen. Besonders bedeutsam ist die langsamere Ausreifung der kindlichen Lungen. Auch Stoffwechselstörungen und Verschiebungen im Salzhaushalt des Kindes sind zu beobachten. Die größte Gefahr liegt in der Störungen der Entwicklung des Mutterkuchens (Plazenta), die zu einer kindlichen Mangelversorgung und sogar zum Absterben des Kindes führen können. Schwangere mit einem Gestationsdiabetes leiden häufiger an Infektionen, beispielsweise der Harnwege, und sie entwickeln gehäuft eine Gestoseerkrankung (Präeklampsie). Durch eine frühzeitige Normalisierung des mütterlichen Zuckerstoffwechsels lassen sich die Risiken für Mutter und Kind erheblich verringern.
Nach der Geburt neigen die Neugeborenen von Müttern mit einem Gestationsdiabetes zur Unterzuckerung. Durch regelmäßige Kontrollen innerhalb der ersten 48 Lebensstunden und gegebenenfalls Zufütterung von Traubenzuckerlösung lassen sich Schäden zuverlässig vermeiden. Wie wird ein Gestationsdiabetes behandelt? Ziel der Behandlung ist es, die Blutzuckerwerte vor und nach dem Essen zu normalisieren. Der Blutzucker sollte nüchtern unter 90 mg/dl und etwa zwei Stunden nach dem Essen unter 120 mg/dl liegen. Bei etwa 85 Prozent der Schwangeren mit Gestationsdiabetes ist die richtige Ernährung als Therapie ausreichend. Wer normalgewichtig ist, sollte im Lauf der Schwangerschaft nicht mehr als zwölf Kilogramm zunehmen. Übergewichtige Frauen sollten möglichst wenig zunehmen, da Geburtskomplikationen bei starkem Übergewicht häufiger auftreten. Bei etwa 15 Prozent der Frauen ist zusätzlich eine Insulinbehandlung erforderlich. Dabei reicht es oft, kleine Mengen eines schnell wirkenden Insulins vor den Hauptmahlzeiten zu spritzen. Manchmal wird zusätzlich vor dem Schlafengehen und eventuell morgens ein lang wirkendes Insulin gespritzt, das den basalen (nahrungsunabhängigen) Insulinbedarf abdeckt und einen hohen Nüchternblutzucker verhindert.

www.diabetes-news.de
www.deutsche-diabetes-gesellschaft.de

Artikel vom 18.11.2005