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Mit »Power«Êauch ohne Tower

Bertelsmann seit 30 Jahren in USA -Ê Arvato und Direct Group expansiv

Von Bernhard Hertlein
New York/Gütersloh (WB). Demnächst könnte der Name »Bertelsmann« vom Bertelsmann-Tower in New York verschwinden. Das Gebäude ist verkauft, die meisten Abteilungen sind ins Random House, zu Sony oder an den Stadtrand umgezogen. Kritische US-Medien haben die Aktion schon als Rückzug missverstanden. In Wirklichkeit ist Bertelsmann dabei, seine Position im weltgrößten Medienmarkt auszubauen.

»Wir gehen auch in den USA den für uns typischen Weg über die Geschäftsbereiche«, erläutert der Bertelsmann-Vorstandsvorsitzende Dr. Gunter Thielen in New York. Augenblicklich sind es vor allem Arvato und die Direct Group, die jenseits des Atlantiks nach vorn preschen.
Random House verteidigt seine Position als mit einem Marktanteil von gut 16 Prozent größte Buchverlagsgruppe in den USA. Dagegen hat Gruner+Jahr seine Magazine verkauft. RTL beschränkt sich auf die Produktion oder Lizenzierung von TV-Serien wie Pop IdolÊ(». . . sucht den Superstar«). Im Land der unbegrenzten Möglichkeiten dürfen Ausländer nicht mehr als 25 Prozent an einem US-Fernsehsender erwerben. »Damit ist das Geschäft für uns hier nicht interessant«, sagt RTL-Chef Gerhard Zeiler. Zudem sieht die Fernsehgruppe derzeit viele Chancen, in Süd- und Osteuropa zu wachsen.
Genau 30 Jahre nach dem ersten US-Engagement, der Gründung der Schallplattenfirma Ariola America, beschäftigt der Bertelsmann-Konzern heute in den USA 13 522 Mitarbeiter. Mit 3,81 Milliarden Euro steuerten sie 22,4 Prozent zum Gesamtumsatz bei. Jeweils gut eine Milliarde entfällt davon auf Random House (Bücher) und Sony BMG (Musik).
Die meisten US-Mitarbeiter hat mit 4231 Arvato. Bei der Verleihung des »Global Leadership Award« an Thielen hat Richard D. Parsons, Chef des konkurrierenden Konzerns Time Warner, über Arvato noch gelästert: »Keiner weiß so genau, was sie tun; aber sie tun es mit großem Erfolg.« Mit Berryville Graphics und OPM gehören zwei der größten US-Buchdruckereien zu Arvato. Dazu kommen zwei CD- bzw. DVD-Produktionsstätten von Sonopress. Beim Wachstum setzt Bertelsmann-Vorstand Hartmut Ostrowski aber vor allem aufs Dienstleistungsgeschäft (Übernahme von Service- und Vertriebsaufgaben, Handy-Reparaturen). Zwischen Juli 2005 und Juli 2006 sollen etwa 1000 neue Stellen in den Amerika geschaffen werden. Dabei ist Arvato gerade erst mit dem Versuch gescheitert, auf politischem Weg eine Flexibilisierung der Arbeitszeit zu ermöglichen. Ostrowski: »Da sind die Amerikaner ganz stur.«
Vor Arvato (410 Millionen Euro) rangiert beim Umsatz die Direct Group. Durch die Übernahme von Columbia House (684 Millionen Euro) hat sie ihren eigenen US-Umsatz (667 Millionen) nach Angaben von Vorstand Ewald Walgenbach mehr als verdoppelt. Damit gehören nun mit Bookspan der größte der größte Buch- und mit BMG Columbia House auch die größten Musik- und DVD-Clubs in den USA zu Bertelsmann. Mit mehr als sechs Prozent sei die Umsatzrendite nach einer Phase der Restrukturierung 2001/02 inzwischen »sehr erfreulich«.

Artikel vom 14.11.2005