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»Ötzi« kraxelte
nicht alleine

Prähistorische Funde in Schweizer Alpen

Bern (dpa). Ein abschmelzendes Eisfeld hat in den Schweizer Alpen einen fast 5000 Jahre alten Pfeilköcher und weitere Gegenstände aus prähistorischer Zeit freigegeben. Archäologen sprechen von einem sensationellen Fund, vergleichbar nur mit der Entdeckung der österreichischen Gletschermumie »Ötzi«.

Die »einzigartigen Funde« im Berner Oberland werden auch für die Klimageschichte der Schweiz wichtig sein, zitierte die »Neue Zürcher Zeitung« am Wochenende den Leiter des Archäologischen Dienstes des Kantons Bern, Peter Suter. Die Funde, die aus der Zeit vom dritten Jahrtausend an vor Christus stammten, belegten beispielsweise einen bisher unbekannten und zu wärmeren Zeiten offenbar rege genutzten Passübergang zwischen den Kantonen Bern und Wallis.
Auf dem 2756 Meter hohen Schnidejoch zwischen Lenk im Kanton Bern und Sitten im Kanton Wallis kamen auch prähistorische Kleidungsstücke aus Hirschleder, bronzene Gewandnadeln sowie römische Schuhnägel zum Vorschein. Nach Angaben der Archäologen sind die 300 Fundstücke für die Schweiz einmalig und für die Forschung in Europa von gleichhohem Wert wie die 1991 entdeckte Südtiroler Gletschermumie »Ötzi«.
Den ersten Gegenstand, ein Köcherfragment aus Birkenrinde, fanden Wanderer bereits im Jahr 2003 am Rande eines Eisfeldes. Der Köcher stammt aus der Zeit um 2700 vor Christus, wie Wissenschaftler mit der Radiokarbonmethode herausfanden. Damit gehört der Köcher wie »Ötzi«, der 3300 vor Christus starb, ins Spätneolithikum. Der Jungsteinzeit sind Schuhfragmente, ein ledernes Hosenbein und Reste eines Umhanges aus Bast, wie ihn auch »Ötzi« getragen hat, zuzuordnen.
Aus der großen Anzahl der Funde schließen die Wissenschaftler, dass es bereits um 3000 vor unserer Zeitrechnung einen regen Verkehr über den Pass gab. Verschiedene Stücke weisen auf einen Warentransport hin, unter anderem ein zusammengenähter Holzbehälter.
Der Pass war nach den Erkenntnissen in der Jungsteinzeit, der Bronzezeit sowie in der Römerzeit und im Mittelalter benutzt worden. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass das noch nicht vollständig geschmolzene Eisfeld im nächsten Sommer weitere Überreste preisgeben wird.

Artikel vom 14.11.2005