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Eine Usedomerin mit »Doppelleben«

Publizistin und Kämpferin für Menschenrechte: Carola Stern wird 80

Berlin (dpa). Über Jahrzehnte war Carola Stern im Nachkriegsdeutschland eine der vernehmlichsten Stimmen für Menschenrechte und Gewaltfreiheit in Ost und West.

Heute feiert die auf Usedom geborene Schriftstellerin und Publizistin ihren 80. Geburtstag. Ihrem Engagement war es zu verdanken, dass die von ihr mitbegründete und geleitete deutsche Sektion der Menschenrechtsorganisation Amnesty International zeitweise die weltweit größte war.
Ein anderer Schwerpunkt in ihrer Arbeit wurde bald die Frauenbewegung. »Was haben die Parteien für die Frauen getan?« fragte Carola Stern 1976 als Herausgeberin einer Textsammlung. Das Frauenthema schlug sich in mehreren Büchern nieder wie etwa in den Biografien von Rahel Varnhagen und Dorothea Schlegel, deren Leben als aufgeklärte Frauen der Romantik Stern faszinierte. Aber auch einer so schillernden Person der Glitzerwelt der 1920er Jahre wie der Schauspielerin und Diseuse Fritzi Massary widmete Stern eine Biografie, ebenso den Künstlerpaaren Helene Weigel und Bertolt Brecht sowie zuletzt Gustaf Gründgens und Marianne Hoppe (»Auf den Wassern des Lebens«).
Als Sensation galt ihr Bekenntnis in der 2001 erschienenen und verfilmten Autobiografie »Doppelleben«, in der Nachkriegszeit im Auftrag des amerikanischen CIA in die SED eingetreten zu sein und Spionage betrieben zu haben. Manche attestierten ihr dabei eine »Selbstdemontage«. Nach der frühen Flucht in den Westen legte sich die Autorin, die unter Hitlers Regime als Erika Assmus aufwuchs und damals eine jugendliche Begeisterung für die Nazi-Phrasen hegte, das Pseudonym Carola Stern zu.
In der DDR hatte sie noch SED-Parteihochschule in Kleinmachnow bei Berlin besucht und eine Tätigkeit als Lehrerin aufgenommen, bevor sie 1951 die Koffer packte und in den Westen ging.
Nach ihrer Arbeit als Lektorin im Verlag Kiepenheuer und Witsch war sie von 1970 bis 1985 Kommentatorin beim Westdeutschen Rundfunk. 1964 veröffentlichte sie mit »Ulbricht« eine erste Biografie über SED-Chef Walter Ulbricht, die sich auch als Frühgeschichte der DDR lesen lässt. Stern erhielt viele Auszeichnungen. Von 1987 bis 1995 war sie PEN-Vizepräsidentin. Die Schriftstellervereinigung ernannte sie danach zur Ehrenpräsidentin.

Artikel vom 14.11.2005