12.11.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Größe garantiert keinen Erfolg

Handelsexperte Zentes: Verbraucher setzen weiter auf »Preis-Erotik«

Von Dietmar Kemper
Detmold (WB). Trotz starker Konkurrenz durch Handelsketten wie Media Markt oder Douglas haben mittelständische Geschäfte gute Chancen sich zu behaupten. Erfolg hänge nicht von der Größe, sondern von der Güte der Läden ab, sagte der Handelsexperte der Universität Saarbrücken, Joachim Zentes, bei seinem Vortrag in Detmold.

Der Direktor des Instituts für Handel und Internationales Marketing sprach auf Einladung des Einzelhandelsverbandes OWL und der IHK Lippe über die Zukunft einer Branche, die seit Jahren mit sinkenden Erlösen zu kämpfen hat. Betrug der Umsatz vor fünf Jahren noch 376 Milliarden Euro, wird er im laufenden Jahr voraussichtlich nur noch 362 Milliarden Euro betragen. »Der Druck auf Preise und Gewinnmargen wird bleiben und sich eher noch erhöhen«, prognostizierte Zentes und nannte dafür neben der steigenden Mehrwertsteuer zwei weitere Gründe: die Erhöhung der Lkw-Maut zum April 2006 und die »Preis-Erotik« der Verbraucher. »Niemand ist so fixiert auf niedrige Preise wie die Deutschen und das wird auch so bleiben«, sieht der Wirtschaftsprofessor keine Anzeichen für ein Ende der Geiz-ist-geil-Mentalität.
Auf die schwierigen Rahmenbedingungen mit noch größeren Verkaufsflächen und noch mehr Produkten zu reagieren, hält Zentes für den falsche Weg. Größe habe sich längst zum Fluch entwickelt: Supermärkte liefen nur noch dann gut, wenn sie zwischen 3000 und 7000 Quadratmeter groß seien und bei Baumärkten entwickle sich der Umsatz ab einer Größe von 10 000 Quadratmetern negativ. Längst zeigten sich die Schattenseiten der »Verkaufsflächen-Gigantomanie« in Deutschland: zehn Prozent der Verkaufsflächen lägen brach, und der Leerstand werde sich in den nächsten Jahren verdoppeln. Zentes, dessen Institut alle zwei Jahre auf der Grundlage umfangreicher Befragungen von Geschäftsleuten den »Handelsmonitor« veröffentlicht, erwartet bis 2010 den Kollaps mindestens einer Supermarkt-, Unterhaltungselektronik- und Baumarktkette.
Mittelständische Geschäfte hätten gute Chancen, eine »Firmenkonjunktur« aufzubauen. Zentes rief den Einzelhändlern in Detmold zu: »Wenn Sie vor Ort die Nummer 1 sind, kann es Ihnen egal sein, dass Sie in der Nachbarstadt keiner kennt.« Durch die Konzentration auf eine Zielgruppe und deren Bedürfnisse, auf eine Sortimentsstruktur und eine Preislage sowie durch vorbildlichen Service gewinne ein Geschäft Profil und entwickle sich zur Marke. Was im Großen, zum Beispiel bei H&M mit seiner hohen Modeaktualität und den günstigen Preisen, funktioniere, gehe auch im Kleinen. Im »Erfolg durch Exzellenz« sieht Zentes die Chance für den Mittelstand.
Ohne Strategie unterliege ein Geschäft den Mitbewerbern, die längst zu Gegnern geworden seien: »Der Wandel vom friedlichen zum kriegerischen Wettbewerb ist in vollem Gange.« Die Industrie verschärfe die Schlacht um Marktanteile auf dem nach den USA und Japan drittgrößten Einzelhandelsmarktplatz der Welt noch: Beiersdorf (»Nivea-Welt«), WMF, Villeroy & Boch eröffnen eigene Läden, Adidas und Gerry Weber (Halle) haben es längst getan. Wer zu wenig von den 170 Millionen Euro abbekomme, die pro Stunde umgesetzt werden, verliere den unerbittlichen Ausleseprozess.

Artikel vom 12.11.2005