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Klangvolle Bitte um Gnade

Musikverein sang Mozart-Requiem und Händel-Anthem


Von Uta Jostwerner
Bielefeld (WB). Der Trauermonat November treibt munter seine musikalischen Blüten. Bitte um Gnade im Angesicht des Todes und Hoffnung auf ein Leben im Jenseits stehen im Mittelpunkt der Kompositionen, die alljährlichen den Konzertkalender bereichern. Mozarts legendenumranktes Requiem gehört mit zu den populärsten Werken im Genre der Trauermusiken. Es auf den Spielplan zu heben, bringt Vorteile wie Risiken mit sich.
Sicher, der Publikumsmagnet bescherte dem Musikverein bei seinem ersten Saisonkonzert in der Oetkerhalle endlich mal wieder ein volles Haus. Indes, bei einem so bekannten Werk wie dem Requiem fallen schon kleinste Patzer ins Gewicht, und nicht zuletzt liegen die Erwartungen an eine möglichst ingeniöse Werkinterpretation höher als bei vergleichsweise unbekannten Stücken.
Was die musikalisch erfinderischen Qualitäten anbelangt, so hat Musikvereinsleiter Wolfgang Helbich in der Vergangenheit in Bezug auf die Tempogestaltung immer wieder mal einen leichten Hang zur Extravaganz durchblicken lassen. Vieles ist Geschmacksache. Wer könnte belegen, dass Helbichs Intercity-Fugen nicht der musikalischen Ausdruckssteigerung dienen!?
Griffig rollt nach überraschend klangtrockenem »Requiem aeternam« die Kyrie-Anrufung dahin und lässt zum ersten Mal aufmerken. Der Chor intoniert geschmeidig (Einstudierung Helbich, Martin Fugmann), differenziert und mit drängender Intensität. Unklar bleibt indes, weshalb Helbig auch die »Quam olim Abrahae«-Fuge so verheizt. Ihre archaische Grundstruktur erfährt dadurch keinerlei Aufwertung. Bei so manch liebevoller Ausgestaltung -Êerinnert sei nur an das »Lacrymosa« mit pointierter Akzentgebung und brillanten Spannungsbögen -Êwirkt manches leider auch aufgesetzt: Etwa das übermäßig strapazierte Ritardando im »Agnus Dei«.
Zum insgesamt durchwachsenen Eindruck trugen zutage tretende Konzentrations- und Kommunikationsprobleme bei. Den Vorwurf verschleppter Einsätze und Intonationsunreinheiten muss sich an dieser Stelle auch das Philharmonische Orchester gefallen lassen.
Versöhnlich stimmte ein Solistenquartett, das ausgesprochen klangschön, innig und harmonisch aufeinander abgestimmt seinen Part gestaltete. Iris Duwensee (Sopran), Alexandra Rawohl (Alt), Clemens-C. Löschmann (Tenor) und Michael Humann (Bass) glänzten sowohl im Requiem als auch im vorangestellten »Funeral Anthem«, einer demutsvollen, musikalischen Grabrede Händels auf die englische Königin Caroline, mit ausdrucksstarker Lyrik und Empfindungsreichtum. - Das Publikum applaudierte lang und herzlich.

Artikel vom 12.11.2005