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Razzia gegen Korruption

Hohe Regierungsbeamte in Budapest unter Verdacht

Von Ernst-Wilhelm Pape
Frankfurt (WB). In einem der größten Verdachtsfälle von Wirtschaftskriminalität in Deutschland sollen auch hohe Regierungsbeamte in Ungarn verstrickt sein.

In Zusammenhang mit der Einschleusung von 1500 ungarischen Arbeitern, die als Billigkräfte in der Fleischindustrie, im Baugewerbe und der Metallverarbeitung eingesetzt wurden, sollen nach Angaben von Ermittlern Regierungsbeamte bestochen worden sein. In einigen Korruptionsfällen seien mehr als 100 000 Euro Schmiergeld geflossen. Bei zwei Razzien im Wirtschaftsministerium in Budapest, die vor drei Wochen und in der vergangenen Woche durchgeführt wurden, sei umfangreiches Beweismaterial sichergestellt worden.
Aufgrund der Schmiergeldzahlungen sollen die Beamten im ungarischen Wirtschaftsministerium falsche Bescheinigungen ausgestellt haben. Scheinfirmen sei so eine legale Geschäftstätigkeit bescheinigt worden. Diese hätten sich dann mit den ergaunerten Dokumenten Werkverträge und Arbeitserlaubnisse für Ungarn in Deutschland erschlichen.
Das kriminelle Netzwerk zur Beschäftigung von Schwarzarbeitern war bei einer Razzia am 26. April 2005 in Deutschland, Österreich und Ungarn aufgedeckt worden. Fünf Hauptbeschuldigte waren verhaftet und zwei Tatverdächtige vorläufig festgenommen worden. Die Verantwortlichen der deutschen und ungarischen Scheinfirmen sollen mit Billigarbeitskräften einen Umsatz von mehr als 100 Millionen Euro erwirtschaftet haben. Bis zu 30 Millionen Steuern und Sozialversicherungsabgaben sollen hinterzogen worden sein. Bei der Razzia, die eine Sonderkommission der Finanzkontrolle Schwarzarbeit der Zollbehörden im Auftrag von neun Staatsanwaltschaften durchführte, war ein Vermögen in Höhe von 14 Millionen Euro sichergestellt worden.
Die Ungarn arbeiteten illegal in Unternehmen in Bayern, Baden-Württemberg, Hessen und Nordrhein-Westfalen. Während die Zahl der illegal Beschäftigten in Deutschland mit mehr als 1500 angegeben wurde, sollen es in Österreich mehr als 100 sein.
Die Durchsuchungen im ungarischen Wirtschaftsministerium waren durch Rechtshilfeersuchen der österreichischen Behörden ausgelöst worden.
In dem Fall der ungarischen Schwarzarbeiter stehen auch Mitarbeiter der hessischen Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit in Frankfurt unter Korruptionsverdacht. Die Mitarbeiter sollen bei der Genehmigung von Arbeitsverträgen für Ungarn Vorteile genossen haben. Die Mitarbeiter sollen vor allem zu besonderen Anlässen, wie zu Weihnachten und an Geburtstagen, Aufmerksamkeiten der ungarischen und deutschen Scheinfirmen erhalten haben. Die Ermittlungen gegen die Mitarbeiter werden von der Staatsanwaltschaft Frankfurt geführt. Es handele sich insgesamt um fünf Beschuldigte, sagte Oberstaatsanwältin Doris Möller-Scheu am Freitag dieser Zeitung. Die Ermittlungen würden noch einige Zeit in Anspruch nehmen.

Artikel vom 12.11.2005