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Von Michael Schläger

Bielefelder
Optik

Traum und Wirklichkeit


Eigentlich müsste auf den Nachttischen von Bielefelds Kommunalpolitikern in diesen Tagen »Der kleine Betriebswirt« liegen. Diese Bettlektüre wäre Pflicht. Dann könnten die Politiker anschließend von Ergebnisabführungsverträgen und Anstalten öffentlichen Rechts träumen, von Beteiligungsmanagement und Steuervorteilen. Die sollen nämlich das leere Stadtsäckel mit zusätzlichen Millionen füllen.
Oh, welch süße Träume müssen die Politiker in früheren Jahrzehnten gehabt haben: von neuen Straßen, Schulen, Sport- und Stadthallen. Und das Schöne war: Am nächsten Tag haben sie einfach beschlossen, so etwas zu bauen. Noch ein Kredit, und schon war die Sache geritzt.
Unter der Verwirklichung von Träumen vergangener Jahrzehnte leidet die Stadt bis heute. Denn die Investitionen waren häufig nicht, was inzwischen mit einem Modewort als »nachhaltig« bezeichnet wird. Die damals angehäuften Schulden drücken nach wie vor. Zusammen mit gewaltig angestiegenen Sozialausgaben und fehlenden Steuereinnahmen ist eine unheilvolle Mixtur entstanden, dank der politisches Handeln kaum noch möglich ist. Da müssen sich die Politiker als Betriebswirte betätigen und aus städtischen Beteiligungen herausholen, was herauszuholen ist. Und gleichzeitig das Heft in der Hand behalten.
Zum Beispiel, wenn es um den zwischen den Fraktionen diskutierten Ergebnisabführungsvertrag mit den Stadtwerken geht. Der von der SPD gemachte Vorschlag, eine neue Stadtwerke-Holding zu bilden, in die dann auch das Stadtbahnvermögen, bisher im Besitz der städtischen Beteiligungsgesellschaft BBVG einfließen würde, würde die Position des Versorgungsunternehmens deutlich stärken, die Stadt aber Einfluss kosten.
Sicher haben die Stadtwerke in den vergangenen Jahren mit ihren Millionen-Gewinnen etwa die Schulbausanierung erst möglich gemacht. Sicher sind es die Stadtwerke, die mit ihrem Plus im Energiegeschäft Millionenverluste beim öffentlichen Personennahverkehr finanzieren und diese den Politikern abnehmen. Aber sie sind eben auch eine 51-Prozent-Tochter der Stadt.
Bei aller Finanzjonglage, die nötig scheint, um noch ein bisschen finanziellen Spielraum zu erhalten, muss doch die Reihenfolge eingehalten werden. Bielefelds Rathaus ist am Niederwall und nicht in der Stadtwerke-Zentrale an der Schildescher Straße. Auch wenn manche das anders sehen mögen.

Artikel vom 12.11.2005