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Köhler lobt Politik der Öffnung

Proteste begleiteten Ankunft des chinesischen Staatspräsidenten in Berlin

Berlin (dpa). Chinas Staats- und Parteichef Hu Jintao ist gestern begleitet von Demonstrationen zu einem dreitägigen Staatsbesuch in Deutschland eingetroffen.
Bundespräsident Horst Köhler empfing den Gast und dessen Frau Liu Yongqing im Berliner Schloss Charlottenburg mit militärischen Ehren. Bei dem Besuch werden Wirtschaftsverträge mit einem Volumen von 1,4 Milliarden Euro unterzeichnet.
Mehrere hundert Demonstranten haben gestern gegen den Besuch des chinesischen Staatspräsidenten protestiert. Vom ehemaligen Grenzübergang nach Ostberlin, »Checkpoint Charlie«, aus machten sich 300 Menschen auf den Weg zur chinesischen Botschaft. Die Demonstranten wandten sich gegen die Verletzung von Menschenrechten in China, die Unterdrückung in Tibet und forderten den »Fall der Roten Mauer«.
Am Hotel Adlon, in dem Hu Jintao übernachtete, wurde er hingegen von mehreren Dutzend regierungstreuen Demonstranten erwartet, die chinesische Fahnen schwenkten. Vor dem Schloss Charlottenburg protestierten am Nachmittag etwa 100 Anhänger der Bewegung Falun Gong.
Bundespräsident Horst Köhler hat Chinas wachsendes Gewicht in der Welt und seine Erfolge bei der Armutsbekämpfung hervorgehoben. »Die Politik der Öffnung hat sich gelohnt«, sagte Köhler gestern nach einem Gespräch mit seinem chinesischen Amtskollegen Hu Jintao in Berlin. China bewege sich in riesigen Schritten voran.
Er habe Hu gesagt, »dass die wirtschaftliche Entwicklung am nachhaltigsten gedeiht, wenn auch die Freiheit wachsen kann«, sagte Köhler, ohne das Thema Menschenrechte direkt zu nennen.
Der Außenexperte der FDP-Bundestagsfraktion, Werner Hoyer, sagte, massive Beschränkungen der Religions- und Meinungsfreiheit, vorbeugende Haft, die weltweit mit Abstand meisten vollstreckten Todesurteile, all dies müsse während des Besuchs mit dem chinesischen Präsidenten offen angesprochen werden.
Die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth betonte, die anhaltenden Menschenrechtsverletzungen in China belegten, dass wirtschaftliches Wachstum allein nicht zur Einhaltung der Menschenrechte führe. Auch die deutsche Wirtschaft müsse sich deshalb nachhaltig für die Einhaltung der Menschenrechte einsetzen.
Der Menschenrechtsbeauftragte der rot-grünen Bundesregierung, Tom Koenigs, hat vor einer Aufhebung des Waffenembargos gegen China gewarnt. Es spreche nichts dafür, dass sich die Lage der Menschenrechte in dem Land verbessert habe, sagte der Grünen-Politiker. Es wäre daher ein falsches Zeichen, wenn das Embargo gelockert oder aufgehoben werden sollte.
Die deutsche Industrie und die Bundesregierung haben für eine enge Partnerschaft mit China bei Innovationen geworben, zugleich aber Probleme beim Schutz von fremden Patenten und Technologien in dem Land beklagt.
Der Industrie-Präsident Jürgen Thumann sagte gestern bei einer deutsch-chinesischen Industriekonferenz am Randes des Staatsbesuchs, mit dem Technologieschutz für deutsche Unternehmen sei es in China »leider nicht immer leicht«.
Der amtierende Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) betonte, ein effektiver Schutz geistigen Eigentums sei eine Grundvoraussetzung für jede dauerhafte Innovations- und Entwicklungsbereitschaft. Allerdings arbeite China inzwischen daran, auf diesem Gebiet Abhilfe zu schaffen.
Vertreter der chinesischen Regierung und Wirtschaft erklärten ausdrücklich ihre Bereitschaft, die Partnerschaft mit deutschen Unternehmen bei Innovationen weiter auszubauen. S. 2: Leitartikel

Artikel vom 11.11.2005