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Wenn Eltern ein Kind verlieren

Sozialdienst katholischer Frauen: Beratungsdienst hilft noch lange danach

Von Karl-Martin Flüter (Text
und Wolfram Brucks (Foto)
Paderborn (WV). 3000 Mal im Jahr kommt in Deutschland ein Kind tot zur Welt. Was das für die Eltern bedeutet, die dieses Schicksal völlig unvorbereitet trifft, ist kaum zu ermessen. Wie man diese Lebenskrise übersteht, wie wichtig die Hilfe von Freunden und die Unterstützung von Fachleuten ist, wissen Susanne M. und Rainer W. aus eigener Erfahrung: Sie haben vor einem Jahr ein Kind verloren.

Nuna-Teresa sollte ihre Tochter heißen. Es war die 41. Woche der Schwangerschaft, Susanne M. und Rainer W. warteten stündlich auf die Geburt ihres zweiten Kindes. Bei einer Routineuntersuchung stellte die Frauenärztin fest, dass die Herztöne nicht in Ordnung waren. Susanne M. ging in die St. Vincenz-Frauenklinik. Dort teilten ihr die Ärzte das Schlimmste mit. »Wir hatten Nuna abends noch gefühlt, sie war in der Nacht gestorben«, sagt Rainer W.
In der Sozialpädagogin Karin Strom vom Sozialdienst katholische Frauen (SkF) Paderborn fanden die Eltern eine ständige Ansprechpartnerin, die sie bis heute betreut. Bei den 14-tägigen Treffen redete das Ehepaar. Karin Storm hörte zu, gab konkrete Unterstützung und Orientierungshilfen für den Alltag. »Sie hat uns nicht gesagt, was wir machen sollen«, sagt Susanne M., »aber sie hat uns unsere Situation widergespiegelt. Dadurch zeigten sich Auswege und Lösungen, die wir vorher nicht gesehen haben.«
Karin Storm berät regelmäßig Eltern, die sich in der Situation von Rainer W. und Susanne M. befinden. »Die beiden haben es richtig gemacht«, sagt sie. »Offensiv mit dieser Lebenskrise umzugehen, ist die beste Reaktion.« Diese Offenheit suchen Frauen wesentlich häufiger als Männer, weiß die Beraterin. Doch niemand könne ein solches Ereignis einfach verdrängen. Erfahrungen aus verschiedenen Beratungsstellen zeigen, dass die unbewältigte Trauer Jahre oder sogar Jahrzehnte später wieder aufleben kann.
Im Nachhinein hätte sich das Ehepaar gewünscht, noch schneller Hilfe zu bekommen. »Die medizinische Hilfe war da«, sagt Rainer W., »aber wir wussten nicht, an wen wir uns in unserer Verzweiflung wenden sollen. Es wäre gut gewesen, wenn es schon im Krankenhaus eine Ansprechpartnerin für diesen Fall gegeben hätte.«
Für Rainer W. und Susanne M. ist nichts mehr so wie vorher. »Wir sind anders geworden«, sagt er. »Viele Sachen wurden unwichtiger: Geld, ein neues Auto, das, was die Nachbarn denken.« Die Familie ist enger zusammengerückt, Freundschaften und Beziehungen haben an Bedeutung gewonnen.
In diesem Monat jährt sich Nuna-Teresas Geburt zum ersten Mal. Zum Geburtstag wird die Familie alle die, die an dem Abschied vor einem Jahr teilgenommen haben, zu einer kleinen Feier einladen (Kontakt: SkF, Tel. 05251/121 9613).

Artikel vom 11.11.2005