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Ausgangssperre oder Hilfestellung?

Internationale Tagung der Universität zur Frage, welche Sozialarbeit greift


Bielefeld (sas). Die Ausgaben für die Jugendhilfe liegen alljährlich bei vielen Millionen Euro. Wie effektiv aber ist die soziale Arbeit? Der britische Premier Tony Blair formulierte, ihm sei es egal, ob Sozialarbeiter die Bibel oder das Kommunistische Manifest unter dem Arm trügen: »What counts is what works - was zählt ist, was wirkt.« Was aber wirkt? Eine internationale Tagung der Universität mit gut 130 Teilnehmern befasst sich sei gestern mit dieser Frage. Die Leitung haben der Erziehungswissenschafler Prof. Dr. Hans-Uwe Otto, Dr. Holger Ziegler und Andreas Polutta.
Dass öffentliche Gelder effektiv einzusetzen seien, betont Ziegler, sei eigentlich eine Selbstverständlichkeit. »Die Frage aber lautet: Wie ist der Erfolg sozialer Arbeit messbar? Wenn ein Jugendlicher nicht mehr auffällig ist? Wenn er einen Ausbildungsplatz hat? Wenn er soziale Kompetenzen entwickelt hat?« Neu ist die Vorstellung, aus statistischen Erhebungen effektive, standardisierte Programme abzuleiten. »Besonders in den USA ist das verbreitet, und die Erfahrungen damit scheinen nicht schlecht.«
Das widerspricht aber dem bisherigen professionellen Selbstverständnis der aufsuchenden, individuellen Sozialarbeit. Und das widerspricht dem deutschen Ansatz, der eher nach den Ursachen der gesellschaftlichen Probleme fragt. Ein Anti-Gewalt-Training, so Ziegler, sei gut und schön - biete einem jungen Menschen aber noch keine Perspektive.
»Oder, um nach Frankreich zu schauen: Eine Ausgangssperre ist sicher effektiv, um Randale zu vermeiden. Sie löst aber nicht das Problem.« Das bestehe häufig aus Arbeitslosigkeit, aus Mut -und Perspektivlosigkeit. Ziel müsse also sein, Kompetenzen zu vermitreln und damit Chancen zu erhöhen. Denn die Lebensziele und Wünsche, ergaben Forschungen, unterscheiden sich auch in sozialen Brennpunkten nicht von dennen der Mittelschicht. »Auch Sozialarbeiter können keine Arbeit schaffen, sie können aber Jugendliche individuell betreuen und ihnen vermitteln, dass sie nicht nur ein Bündel von Risikofaktoren sind.« Das scheint auch die französische Politik so zu sehen: Aktuell werden 5000 neue Stellen für Sozialarbeiter geschaffen.

Artikel vom 11.11.2005