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Vom Schwiegervater zum Sex gezwungen?

Prozess: Schwere Vorwürfe gegen einen Delbrücker

Von Hubertus Hartmann
Delbrück/Paderborn (WV). Gabriella M. ist ein zartes Wesen. Angstvoll hasten die tränenfeuchten braunen Augen im Gerichtssaal umher. Zitternd sitzt die 31-jährige Frau auf dem Zeugenstuhl.

Wenn die Strafkammer unter Vorsitz von Richter Stefan Schäfer dem Angeklagten glaubt, dann ist diese Zeugen »eine sehr aggressive Person, eine Schlampe und Nutte«. »Sie ist krank und braucht psychologische Hilfe«, behauptet Ernesto S. (alle Namen geändert) vehement, wort- und gestenreich.
Die von ihm so abqualifizierte Zeugin ist seine Schwiegertochter. Der 54 Jahre alte Familienvater aus Delbrück soll Gabriella M. vor etwa zehn Jahren vergewaltigt haben. Davon ist zumindest Staatsanwalt Andres Asensio überzeugt. Ans Tageslicht kam die angeklagte Tat, nachdem Ernesto S. auch von anderen Frauen beschuldigt wurde. Ein zwölfjähriges Mädchen soll er innig geküsst, eine junge Frau aus seinem Bekanntenkreis mehrfach begrabscht haben.
»Alles eine große, große Lüge«, beteuert der Beschuldigte seine Unschuld. »Ich bin kein Kinderschänder und auch kein Vergewaltiger.« Von den mutmaßlichen Opfern wird der Mann gestern am ersten Verhandlungstag vor dem Landgericht Paderborn allerdings schwer belastet. Die Forderung seines Verteidigers Jost Ferlings nach einem Glaubwürdigkeitsgutachten weist das Gericht ab. Stattdessen bietet Richter Schäfer dem Angeklagten eine vergleichsweise milde Strafe von maximal zweieinhalb Jahren an, wenn er ein Geständnis ablege und den Frauen die belastende Aussage erspare. Was Ernesto S. empört zurückweist. »Mein Mandant bestreitet alles«, läst er über seinen Verteidiger erklären.
So bleibt Gabriela M. nichts anderes übrig, als jene für sie so schrecklichen Geschehnisse noch einmal zu schildern. Sie habe mit einer Nierenbeckenentzündung im Bett gelegen, erzählt sie mit leiser, stockender Stimme. Als unvermittelt ihr Schwiegervater im Schlafzimmer gestanden und sie vergewaltigt habe. Warum sie denn keine Anzeige erstatte habe, will der Richter wissen: »Ich hatte Angst, dass er mir etwas antut«. Ob sie denn ihren Ehemann und ihre Schwiegermutter nicht um Beistand gebeten habe. Ihr Mann habe nur hilflos die Schultern gezuckt: »Er ist doch mein Vater, was soll ich machen.« Und von der Schwiegermutter habe sie zur Antwort erhalten: »Lass ihn doch einfach nicht mehr rein.«
Gabriela M., Mutter von zwei Söhnen, erkrankte in der Folge an Magersucht. Auch jetzt befindet sie sich wieder in Therapie.
Der Prozess wird nächste Woche fortgesetzt.

Artikel vom 11.11.2005