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Anfangs im dritten Glied, weil
noch keine Uniform passte

Gebürtiger Mindener 1955 als Nummer drei der Bundeswehr registriert

Von Bettina Grachtrup
Linz/Minden (dpa). Seinen ersten Auftritt in der Bundeswehr absolvierte Hans-Joachim Krug in einem einfachen Anzug. »Ich hatte noch keine Uniform, die passte«, erinnert sich der 80-Jährige an den 12. November 1955.

Deshalb stand der junge Soldat auch nur in der dritten Reihe, als der damalige Verteidigungsminister Theodor Blank den ersten 101 freiwilligen Soldaten in Bonn ihre Ernennungsurkunden überreichte. Die Nationalhymne wurde gespielt, es gab aber keine große Feier und keinen Sekt. Der historischen Dimension des Datums sei er sich damals noch nicht bewusst gewesen, räumt Krug ein.
Mit seinen 30 Jahren war der gebürtige Mindener einer der jüngsten Soldaten, die die Bundeswehr nach dem Zweiten Weltkrieg in der Bundesrepublik aufbauen sollten. Zehn Jahre zuvor gehörte Krug noch der Wehrmacht an, für die er sich als 17-Jähriger freiwillig gemeldet hatte. Es sei für ihn immer selbstverständlich gewesen, Berufssoldat zu werden. »Mein Vater, mein Großvater und mein Urgroßvater waren preußische Offiziere«, erklärt Krug, der am liebsten auf einem U-Boot gefahren wäre, dann aber zur Artillerie kam. Auch der Gruppenzwang habe eine Rolle gespielt: »Von Politik war keine Rede.«
An der Ostfront wurde Krug verwundet, zurück nach Deutschland und dann nach Italien geschickt, wo er in amerikanische Kriegsgefangenschaft geriet. Dank seiner Englischkenntnisse, die er in seinem Elternhaus mitbekommen hatte, knüpfte er in jener Zeit Kontakte zu US-Soldaten. Als zehn Jahre später Freiwillige zum Aufbau einer neuen Armee gesucht wurden, bemerkten amerikanische Offiziere Krugs Sprachkenntnisse. »Sie haben empfohlen, ich sollte eingestellt werden.« Der junge Mann reiste nach Bonn und wurde dort als Soldat der neuen Bundeswehr registriert. »Ich war durch Zufall Nummer drei.«
Während die Bevölkerung eine Wiederbewaffnung wegen der Erfahrungen im Zweiten Weltkrieg größtenteils ablehnte, half der damals 30-Jährige bei der Rekrutierung weiterer Soldaten. Zentrale Kriterien bei der Auswahl waren laut Krug die Einstellung des Bewerbers zum demokratischen Staat und seine berufliche Tätigkeit nach dem Krieg. »Daraus konnte man schon ablesen, ob jemand mit sich selber fertig werden konnte«, sagt Krug, der heute in Linz am Rhein lebt.
Als Oberleutnant wurde er im Januar 1956 in die USA geschickt, um dort den Umgang mit modernen Waffen zu lernen. »Ich war der erste deutsche Offizier, der von den Amerikanern empfangen wurde und der kein Kriegsgefangener war.« Von der Zeit an der Artillerieschule der US-Army in Fort Sill in Oklahoma schwärmt der Oberst im Ruhestand noch heute. »Die haben uns so genommen, wie wir waren«, sagt er. Es habe keine Vorbehalte auf Seiten des ehemaligen Feindes gegeben. Heute ist Krug Mitglied der US-Heeresvereinigung und Ehrenbürger von Marietta in Oklahoma, der Partnerstadt von Linz.
Krug ging 1984 in den Ruhestand, verfolgt die Entwicklung der Bundeswehr aber weiter kritisch. »Es muss mehr dafür getan werden, dass die Bundeswehr in der Gesellschaft integriert wird«, betont er. »Dazu reicht ein Zapfenstreich vor dem Bundestag nicht aus.« Das Verhalten der Politiker sei nicht konsequent. »Die Knappheit der Gelder hat in der Bundeswehr dazu geführt, dass eine Menge Fahrzeuge stillgelegt sind, weil keine Ersatzteile mehr da sind.« Wenn es aber finanziell eng werde, müssten eben die Streitkräfte kleiner und die Aufgaben wie die Auslandseinsätze eingeschränkt werden.
Mit Frauen in der Bundeswehr hat der 80-Jährige dagegen keine Probleme. »Mich hätte es nie gestört, einen weiblichen Vorgesetzten zu haben«, sagt Krug, der seit 55 Jahren mit seiner Frau Reingart (76) verheiratet ist. Von seinen drei Söhnen sind zwei selber Reserveoffiziere. Krug pflegt rege Kontakte zu Historikern, Freunden und Soldaten und erzählt ihnen gerne, wie es damals war, in den Anfangsjahren der Bundeswehr.

Artikel vom 10.11.2005