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Anrufer enttarnte Drogendealer

Landgericht: Umstrittene Wohnungsdurchsuchung war rechtens

Bielefeld (uko). Die Durchsuchung einer Wohnung ist für die Betroffenen stets ein gravierender Eingriff in die Persönlichkeitsrechte. Das Landgericht Bielefeld hat am Donnerstag die Rechtmäßigkeit bejaht.

Als äußerer Anlaß der Ermittlungsmaßnahme lag jedoch lediglich ein anonymer Anruf vor, der den Bielefelder Björn S. als Dealer bezichtigte. Wenngleich die komplizierte Rechtsfrage zunächst in weiten Teilen den gestrigen Strafprozeß gegen den 25-jährigen Mann vor der 9. Strafkammer bestimmte, so stand am Ende des Tages doch ein von allen Parteien getragener Schuldspruch: Björn S. akzeptierte eine zwei Jahre und zehn Monate lange Freiheitsstrafe wegen des Rauschgifthandels mit Waffen. Zudem wurde die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gegen ihn angeordnet.
Mitte Februar erhielt die Polizei einen anonymen Anruf aus der Justizvollzugsanstalt Senne. Ein Mann berichtete, S. sei ein aktiver Dealer, dem man das Handwerk legen müsse. Der Anrufer wurde erst Monate später als der Vater eines Mädchen ermittelt, das bei eben diesem Dealer häufig Drogen gekauft hatte. Die Drogenfahnder nahmen das Vorleben des mutmaßlichen Rauschgifthändlers unter die Lupe, das viele dunkle Felcken in Form von Straftaten aufwies. Die Staatsanwaltschaft erwirkte danach am 30. März beim Amtsgericht einen Durchsuchungsbeschluss der Wohnung der Mannes. Zunächst versuchten Polizeibeamte vergeblich, die Ermittlungen voranzutreiben. Erst am 1. Juni gelang ihnen der Zutritt zu der Wohnung von Björn S. Dort fanden die Fahnder einen kompletten Drogen-Cocktail: 400 Gramm Haschisch, 29 LSD-Trips, mehr als 40 Gramm Marihuana und Ecstasy-Pillen; dazu die üblichen Utensilien eines Dealers und eine Waffe.
Verteidiger Ulrich Kraft bezweifelte gestern (nach bereits fünfeinhalb Monaten Untersuchungshaft) die Verwertung der Beweismittel, da die Durchsuchung nicht rechtens gewesen sei. Nachdem die Kammer den Antrag Krafts zurückgewiesen hatte, legte sein Mandant ein Geständnis ab. Der Mann hat (womöglich als Opfer eines sexuellen Mißbrauchs) eine Persönlichkeitsstörung, die er zeitlebens mit seiner eigenen Drogensucht zu therapieren versuchte. Eindringlich ermahnte ihn Kammervorsitzender Reinhold Hülsmann, die Verurteilung als Chance zur Selbsthilfe zu begreifen. - Björn S. nahm den maßvollen und wohlmeinenden Urteilsspruch an.

Artikel vom 11.11.2005