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Wenn Getreide krank macht

Glutenfreie Kost für Zöliakie-Kranke kann abwechslungsreich sein

Das knusprige Toastbrot am Morgen, der Kuchen zum Kaffee oder das kühle Bier am Abend - für einen von 500 Menschen in Deutschland sind diese Genüsse keineswegs selbstverständlich.

Die Diagnose »Zöliakie«, bei Erwachsenen auch »Sprue« genannt, bedeutet einen konsequenten Verzicht auf glutenhaltiges Getreide und alle Lebensmittel, die das Klebereiweiß enthalten. Viele Betroffene fühlen sich zunächst »erschlagen« von der Liste verbotener Speisen. Doch es gibt viele Möglichkeiten, das Gewohnte zu ersetzen und neue, leckere Alternativen zu finden. Zöliakie ist eine ererbte Unverträglichkeit gegen den pflanzlichen Eiweißbestandteil Gluten.
Der Organismus reagiert darauf mit Entzündungen im Dünndarm, die zum Abbau der Darmzotten führen. Im gesunden Darm ermöglicht die mit Zotten ausgestattete Schleimhaut, dass die Nährstoffe aus der Nahrung aufgenommen werden. Bleibt eine Glutenunverträglichkeit unberücksichtigt, können massive Mängel an lebenswichtigen Nährstoffen eintreten.
Betroffene leiden unter Blähungen, Übelkeit, Untergewicht und sind häufig depressiv. Oft liegt bereits bei der Diagnose ein Mangel vor, so dass eine Nahrungsergänzung sinnvoll ist. Kapseln mit Mikronährstoffen speziell für Zöliakie-Betroffene gibt es im Fachhandel.
Die einzige Behandlung von Zöliakie besteht in einer lebenslangen glutenfreien Ernährung. Andere Möglichkeiten oder Medikamente gibt es nicht. Nur mit der richtigen Ernährung entwickelt die Darmschleimhaut wieder ihre normale Gestalt und Funktion. Beschwerden verschwinden rasch. Doch selbst nach jahrelanger glutenfreier Ernährung ist die Unverträglichkeit nicht geheilt. Auch wenn bei »normaler« Kost die Symptome ausbleiben, kann es zu Darmschädigungen kommen.
Das Gluten oder Klebereiweiß steckt in allen Getreidesorten wie Weizen, Roggen, Gerste, Hafer, Dinkel, Grünkern, Triticale (Kreuzung aus Weizen und Roggen) sowie in den so genannten Urgetreiden Kamut, Emmer und Einkorn. Tabu sind daher auch daraus hergestelltes Brot, Brötchen, Kuchen und Nudeln. Ebenso herkömmliche Müslis, Graupen, Gries, Paniermehl, die Weizenprodukte Bulgur und Couscous sowie Malzkaffee, Malzbier und Bier. Zudem ist in vielen Fertigprodukten wie Puddingpulver, Püree, Suppen und Soßen Weizenmehl als Verdickungs- und Bindemittel enthalten. Gluten kann sich ebenso in Backpulver, Gewürzmischungen, Brühwürfeln, Brotaufstrichen, Wurst, Joghurt, Schokolade und Süßigkeiten »verstecken«. Selbst Medikamente und Vitamintabletten haben möglicherweise einen glutenhaltigen Überzug.
Bei einer glutenfreien Ernährung fallen viele, geliebte Speisen unter den Tisch. Doch es gibt zahlreiche Alternativen, mit denen eine abwechslungsreiche und genussvolle Ernährung möglich ist: Die getreideähnlichen Körnchen Amaranth, Hirse, Quinoa, Reis und Wildreis eignen sich zum Beispiel als Beilagen, für Aufläufe und Pfannengerichte. Aus Hirse und Reis lassen sich zudem leckere Süßspeisen zaubern. Hirseflocken können Haferflocken zum Beispiel im Müsli ersetzen, aber auch als Mehl verwendet werden. Zum Backen von Brot, Kuchen und Plätzchen lässt sich Weizenmehl durch Mais- oder Kartoffelstärke, Soja-, Kastanien- oder Reismehl ersetzen.
Für Pudding können Buchweizen und Hirse statt Weizengries verarbeitet werden. Mais ist vielseitig einsetzbar als Mehl, Gries (Polenta), in Form von Cornflakes oder Popcorn. Maisstärke bindet Suppen und Soßen. Zum Andicken eignen sich Agar Agar, Guarkern- und Johannisbrotkernmehl sowie Kartoffel- und Maisstärke.
Glutenfreie Grundnahrungsmittel sind außerdem Milch- und Milchprodukte, Öl, Butter, Margarine, Fleisch, Fisch, Ei, Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte, sofern sie nicht mit glutenhaltigen Lebensmitteln verarbeitet wurden. Mittlerweile gibt es viele glutenfreie Produkte, die mit dem Symbol einer durchgestrichenen Getreideähre gekennzeichnet sind. Dazu gehören Backmischungen, Vollkornbrot, Toast, Pizzaböden, Tortletts, Müslis, Nudeln, Knabberartikel, Gebäck und Schokoriegel. In den Fachgeschäften gibt es zudem einen Produkt-Einkaufsführer für Allergiker, in dem alle glutenfreien Lebensmittel extra gekennzeichnet sind. Das zeitraubende Studieren von Zutatenlisten bleibt damit erspart. Bei Ernährungsfragen können Fachberater kompetent weiterhelfen. Ratgeber-Broschüren liefern weitere Tipps und Rezepte.

Artikel vom 01.09.2006